88. Reichstog.
interessante, inhaltsreiche, bedeutungsvolle Schriften, Denkschriften und der-
glelchen zu UÜberweisen. Ich bin aber wiederum der Ansicht, daß ihm dieses
Recht zustände, wenn es auch in der Verfassungsurkunde nicht genannt wäre.
Was aber schließlich den letzten Punkt aubelangt, Thatsachen durch Ber-
nehmung von Zeugen, Sachoerständigen und anderen Auskunftspersonen
zu erheben und in gleicher Weise Commissionen mit der Erhebung
von Thatsachen zu beauftragen, so dürfen Sie einem Manne, der schon
sehr lange im parlamentarischen Leben steht und wirkt, nicht verargen, wenn
er bei dieser Gelegenheit von sich selbst sagt, daß er sich mit dieser Frage
seit fast zwanzig Jahren beschäftigt hat. Diese nämliche Frage, meine Her-
ren, hat einen sehr helßen Kampf schon in der Verfassungscommission der
Nationalversammlung von 1843 hervorgerufen, und die Kämpfe sind nach-
her bei der Revision der dann octroyirten Verfassung in beiden Kammern
des Preußischen Landtages, und noch später innerhalb und außerhalb dessel-
ben fortgesetzt worden. Wenn ich aber auf die Erfolge blicke, welche der
Ausdruck dieses Rechts in der Preußischen Verfassungsurkunde hervorgebracht
hat, so sehe ich allerdings sehr wenig. Wenn eine Versammlung, wie
der Reichstag oder eine andere parlamentarische Versammlung, dieses Recht
wirksam haben soll, so ist durchaus nothwendig, daß ihr auch die Mittel
zur Seite stehen, um von dem Rechte Gebrauch zu machen, nicht bloß, meine
Herren, daß Veranlassung dazu gegeben wird, von dem Rechte Gebrauch
zu machen, sondern ihm auch die Mittel gegeben sind, dasselbe auszullben;
und ich gestehe Ihnen, ich habe immer gefunden, daß die beiden Häufer des
Landtages in Preußen die Mittel zur Ausübung dieses Rechts nicht gehabt
haben und daß, wenn daran gegangen wurde, von diesem Rechte Gebrauch
zu machen, dieselben Mittel, deren man sich hätte bedienen können oder be-
dienen wollen, entzogen worden sind. Verweise man uns nicht auf England.
Wenn ich die Englische Verfassungs= und Gesetzgebungsgeschichte Überschaue,
so muß ich gestehen, daß in England von den Regierungscommissionen zur
Untersuchung von Thatsachen, zur Vernehmung von Zeugen, Sachverständi-
gen und anderen Auskunftspersonen ungleich viel Bedentenderes geliefert wor-
den ist, nicht bloß für England allein, sondern man darf es wohl sagen,
für Europa und für die Welt, alles durch eine vom Parlament selbst nieder-
gesetzte derartige Commission. In England sind die Verhältnisse lÜberdies
auch anders als bei uns in Deuschland. Ich darf wohl daran erinnern,
welch' eine ganz exorbitante Gewalt z. B. ein Englischer Gonverneur in
einer Englischen Colonie hat und daß in England eine Parlamentsuntersuchung
z. B. gegen Beamte dieser Art von der allergrößten Bedeutung ist. Wir
haben keinen einzigen hohen Beamten von einer so exorbitanten Gewalt, die
man souverain, ich möchte fast sagen, wenn es möglich wäre, noch mehr als
souverain nennen kann. Dieses Untersuchungsrecht erscheint aber in
unserem Bundesstaate als eigentlich unausführbar. Ich sehe ein,
meine Herren, daß aus dergleichen Erwägungen Gründe gefunden werden