Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Dr. Reichensperger. 991 
lichen Antiquitäten und Kuriositäten hervorgesucht, um zu zeigen, was die 
Päpste alles Ungebeuerliches gesagt und gethan hätten. Alle diese Dinge 
speziell historisch zu beleuchten würden Sie mir wahrscheinlich gar nicht 
gestatten. Ich verweise nur ganz einfach auf dasjenige, was der Abgeord- 
nete für Olpe gesagt hat gleich am Eingang dieser Debatte. Er hat Ihnen 
gesagt, daß die ganze Weltstellung des Papstthums durch die Natur der 
Sache im Mittelalter und in der Zeit vor dem Mittelalter nothwendig 
eine ganz andere war, als sie jetzt ist und srin kann. Ich will dafür nur 
einen protestantischen Geschichtsschreiber, der zugleich einer der größten Staats- 
männer unserer Zeit ist, anführen, Guizot nämlich, der in einer Druckschrift 
gesagt hat: daß im Mittelalter die Päpste auch über das kirchliche Gebiet 
hinaus den größten, maßgebendsten Einfluß übten, liege so in der Natur 
der Sache, daß das Gegentheil kaum denkbar erscheine. Die Geistlichkeit 
repräsentirte damals die Intelligenz, und die Intelligenz ist es, die durchweg 
in der Welt herrscht. Weil ich nun gerade den Namen Guizot genanut 
habe, so will ich auch noch eben eine andere Aeußerung, die er in Beziehung 
auf die weltliche Stellung des Papstes gemacht hat, auführen. Ich thue dies 
um so mehr, als er nicht allein steht, sondern einen Gesellschafter hat in der 
Person eines gewissen Ihnen allen bekannten anderen Staatsmannes, und 
zwar eines höchst liberalen Staatsmannes, ich meine Odilon Barrot. Beide 
haben öffentlich erklärt, daß die weltliche Herrschaft des Papstes nöthig sei, 
der Papst müsse sonverän, keines Anderen Unterthan sein, damit die Kirche 
frei sein könne. Diese Männer können Sie nicht in den Verdacht des 
Klerikalismus bringen; das ist selbst Zhnen unmöglich. Ich glaube, nunmehr 
die Rede des Herrn Abgeordneten von Stauffenberg verlassen zu können. 
(Ruf: 18681) Ah! 1868. Ich danke Ihnen, daß Sie mich daran erinnern. 
Der Herr Abgeordnete hat uns auch noch eine Aeußerung, eine amtliche 
Aeußerung des Papstes gegenüber der österreichischen Staatsregierung vorge- 
lesen. Fürs Erste, meine Herren, bemerke ich Ihnen, daß diese Aeußerung 
nichts weniger als eine dogmatische ist; Niemand von uns denkt daran, der- 
gleichen Schreiben des Papstes, — an deren Stil Sie, meine Herren, übrigens 
nicht gewohnt sind, es ist eben päpstlicher Kanzleistil, (große Heiterkeit) 
der einen anderen Charakter nicht an sich trägt; nun, meine Herren, ich 
glaube, Sie müßten dann noch mehr über den englischen Kanzleistil, lachen, 
wenn Sie den kennten; (Sehr wahr!) es ist ein Kanzleistil, der durch 
Jahrhunderte gegangen ist, der einen festen Typus hat, wie die Kirchensprache 
überhaupt, und über den bis jetzt noch Niemand gelacht hat; ich glaube, es 
geschieht bier zum ersten Male — — ich sage also, fürs Erste schlägt das von 
Herrn von Stauffenberg Verlesene durchaus nicht in die Lehre von der 
präpstlichen Infallibilität ein, und zweitens ist es nichts weiter als ein Protest 
gegen die Verletzung des Konkordats — das Konkordat, meine Herren, ist 
ein Vertrag — oder gegen die Verletzung eines historischen Herkommens, 
einer historisch gewordenen Situation, die meiner Ansicht nach — die Juristen
	        
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