1000 I. Sesfion des deutschen Reichstages.
geloͤst. Der Herr Vorredner hat z. B. gesagt: ja, es ist die Geschichte an-
geführt worden von den Kirchhöfen, das ist ja eine Privatsache, das gehört gar
nicht hierher. Nun, ich will etwas Anderes sagen, das vielleicht hierher ge-
hört. Wir sind bereit, Ihnen Alles zu bewilligen, was Sie wollen; aber
wir sagen nicht, wir nehmen dann Ihnen die Schule, sondern wir nehmen
unsere Schulen für uns, und die Erziehung unserer Kinder in unsere
Hand; wir sind bereit, Ihnen Zustände zu geben, wie sie in Amerika sind;:
aber vergessen Sie nicht, meine Herren, in Amerika wählt kein Geistlicher
und darf kein Geistlicher im Parlament sitzen! (Lebhaftes Bravo.) Sehen
Sie, meine Herren, das wird Manchem von Ihnen gar nicht so angenehm
sein; denn es gefällt Ihnen sehr, sich hier aussprechen zu können und so
Ihren Ansichten einen weiteren Wirkungskreis zu verschaffen. Wir schlagen
dem Hause wiederholt vor, eine motivirte Tagesordnung anzunehmen; wir
thun das auch auf die Gefahr hin, daß man nunmehr uns zuruft: seht, so
ist's mit der Freisinnigkeit dieser Leute; sie stellen sich hin und sagen: jetzt
ist der rechte Zeitpunkt nicht, der muß erst kommen. Meine Herren, wir
sind eine Partei, die eine praktische Politik treiben muß; wir können uns eben
so wenig zu Demonstrationen hergeben, als daß wir auf der anderen Seite
uns durch schöne Reden bestimmen lassen würden, etwas für ungefährlich
anzusehen, was nach unserer Anschauung sehr gefährlich ist. Wir lassen diese
Vorwürfe über uns ergehen. Wir mäöchten Sie aber dringend bitten, die
Tagesordnung in der Form anzunehmen, wie wir sie Ihnen vorgzeschlagen
haben, weil sie auch eine bestimmte Signatur an der Spitze trägt. Man
hat soviel davon gesprochen, daß es ja gar nicht möglich sei, daß die An-
nahme dieses Artikels im Deutschen Reiche Beschädigungen hervorrufen könme.
Nun gut, meine Herren, wir wollen uns die Sache noch einmal besehen:
wir werden Ihnen eine Reihe von wirklichen Grundrechten vorlegen, und wir
freuen uns, daß Sie wenigstens in einigen Punkten uns verstärken werden.
In anderen Dingen, das wollen wir uns gleich jetzt sagen, wird eine Eini-
gung zwischen uns nicht zu Stande kommen, es wird das nicht möglich sein,
Sie gehen Ihre Wege, und wenn der Herr Abgeordnete Reichensperger gesagt
hat, der Papst wird ebenso dekretiren, wenn er in der Verbannung in Canada
sitzt, so glaube ich das und halte es für wahr. Aber Eines, meine Herren,
vergessen Sie doch nicht: trotzdem Sie an diese Gewalt, an das Fortdauern
derselben glauben, trotzdem suchen Sie jetzt so viele andere weltliche Hülfe,
trotzdem suchen Sie durch Gesetzesartikel sich noch nebenher ein bischen Boden
mehr zu verschaffen. Wie kommen Sie denn dazu? Das geistige Reich, wenn
es wirklich geistig ist, wird fortbestehen; lassen Sie die weltlichen Dinge von
sich, lassen Sie sich lieber etwas unterdrücken, (Heiterkeit) dadurch werden
Sie kräftiger! Aber nicht wahr, von Unterdrücken hört man nicht gern? Ich
weiß recht wohl, was ich hier gesagt habe, ich denke mich in Ihren eigenen
Gedankengang hinein, Sie stellen sich ja aber immer dem Volke dar als die
Unterdrückten, Sie spielen sich aus als diejenigen, die von anderen, glaubens-