Aumerkung zu Art. 3. 1013
B. Aus der Session von 1869.
Bei dem Norddeutschen Reichstag von 1869 kam eine noch größere
Zahl von Petitionen ein (mit den Nummern: 294 bis 300, 313 bis 316,
342, 54“ bis 586), welche auf Reform der Mecklenburger Verfassungszustände
gerichtet waren. Diese Beschwerden nahmen, wie der V. Kommissions=
bericht vom 1. Mai 1869 (Anlagen S. 515) unter Lit t. A. konstatirte,
Bezug auf die Katastrophe von 1850. Es sei nämlich 1849 zwischen dem
Großherzoge und einer ad hoc gewählten Volksvertretung ein Staatsgrund-
gesetz für Mecklenburg-Schwerin vereinbart worden und in Wirksamkeit ge-
treten. Allein einzelne Mitglieder der früheren Ritterschaft hätten die
Rechtsgültigkeit desselben angefochten und es durchgesetzt, daß ein Schieds-
gericht — das Freienwalder Schiedsgericht — berufen worden sei,
um hierüber zu entscheiden. Der von demselben erlassene Schiedsspruch nun
aber, welcher gegen die neue Staatsverfassung ausfiel, sei rechtsungültig,
weßhalb gebeten werde, trotz demselben eine konstitutionelle Verfassung anzu-
bahnen. Die Kommission ging davon aus, daß, die Richtigkeit der Schilde-
rung in den Petitionen vorausgesetzt, allerdings die Mecklenburger Ver-
fassungszustände krankhafte sein würden. „Der Bundesstaat aber, der nach
Kräftigung ringt, würde esein Interesse verkennen, wollte er diese Zustände
durch halbe Maßregeln in der Schwebe erhalten. Denn sie würden dennoch
immer und immer wieder zum Vorschein kommen und die Kraft und Ent-
wickelung des Bundes schwächen und hemmen."“ Die Kommission halte es
daher für nothwendig, die Aufmerksamkeit des Bundesraths auf die Peti-
tionen hinzulenken und vereinigte sich por majora zu dem Antrage:
der Reichstag wolle beschließen:
die Petitionen dem Bundesrath nach Art. 76 Alinea 2
der Bundesverfassung zur Prüfung zu überreichen.
(Der Korreferent der Kommission, Graf von Plessen (Buchow-Gade-
busch c. [Mecklenburg-Schwerin]) ging jedoch von der Ansicht aus, daß die
alte, eine Zeit lang suspendirte, Verfassung seit Ende des Jahres 1850
wieder in rechtsbeständiger Gültigkeit bestehe und es daher gemäß dem Ein-
gange der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 25. Juni 1867 („ewigen
Bund zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben
gültigen Rechts“") dieser alle Theile bindenden Verfassung lediglich ent-
spreche, den Antrag zu stellen,
über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen.)
Lippe-Detmold (Petition 82; Kommisstonsbericht Anlagen S. 216.) Bei dieser
Verhandlung (St. B. S. 609 r. g. o. fgg.) vertrat Bundesbevollmächtigter, Kabinets-
Minister von Oheimb (Lippe-Detmold) den Standpunkt seiner Reglerung. Die Be-
schwerde wurde an die Kommission zurückgewiesen (St. B. S. 615 r. o.) und fand bei
dem nahen Schlusse des Reichstages keine Erledigung mehr.