Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Anmerkung zu Art. 3. Bismarck. 1015 
Gründe in Erwägung ziehe, mit denen heute die Petition unterstützt worden 
ist. Einmal erfüllt es mich, weil ich aufrichtig an der konstitutionellen Ent- 
wicklung und an ihrer Stätigkeit im gesammten Vaterlande hänge, stets mit 
einem gewissen Unbehagen, wenn über eine faktisch bestehende Verfassung 
eine Untersuchung in Betreff der Legitimität ihrer Geburt angestellt wird. 
(Hört! hört!) Wie viele Verfassungen giebt es denn in unserem Vaterlande, 
welche in dieser Beziehung, — ich will nicht sagen ganz vorwurfsfrei dastehen, 
(Sehr wahr!) aber — gegen deren rechtliche Entstehung nicht protestirt 
worden wäre, entweder ausdrücklich oder doch durch dauernde Wahlenthaltung 
oder auf anderem Wege? Wenn wir da hineinsteigen wollen, so erschüttern 
wir die Fundamente unserer Rechtszustände in einer Weise, welche unserer 
Entwicklung nicht förderlich ist, und ich glaube nicht, daß es den praktischen 
Engländern jemals einfallen würde zurückzugehen auf eine Untersuchung der 
Paternität und Legitimität der Geburt ihrer Verfassung. Sie begnügen sich 
damit, daß sie in Wirksamkeit steht. Zweitens sind es diejenigen Argumente, 
welche die Petition befürworteten, weil die gegenwärtigen Zustände in Mecklen- 
burg noch nicht vollstandig homogen mit denen des Gesammtbundes in ihrer 
Entwicklung sind. Ja, meine Herren, ich glaube, die Mecklenburger von 
allen Seiten werden es nicht bestreiten, und auch die Mecklenburgische Re- 
gierung nicht, daß die wünschenswerthe Hemogenität noch nicht durchgängig 
hergestellt ist. In dieser Beziehung moöchte ich Sie aber bitten, lassen Sie 
doch dem heilenden Einfluß der Zeit einigen Spielraum, besonders wenn Sie sehen, 
daß der gute Wille da ist und daß die Schwierigkeiten ganz besonders große 
sind. Eine seit einem Jahrhundert und länger in die Zustände des Landes 
eingewachsene Verfassung streift man nicht ab wie ein abgelegtes Kleidungs- 
stück; sie ist so zu sagen eine Haut geworden, welche mit ärztlicher Vorsicht 
gelöst werden muß, wenn Krankheiten verhindert werden sollen. Und damit 
komme ich zu dem zweiten Punkte, für den es meine Absicht war hier 
Zeugniß abzulegen, das ist zu dem dankbaren Vertrauen, mit welchem ich 
auf die Stellung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von 
Mecklen burg-Schwerin zu den Bundesverhältnissen blicke, — sowohl 
in Betreff der Entstehung der Verfassung als auch in Bezug auf ihre Fort- 
bildung. — Dieses Vertrauen berechtigt mich zu der Hoffnung, daß der heilende 
Einfluß der Zeit ein nicht ganz langsamer sein wird und daß wir nichts 
wir einen so guten Willen, wie er uns von jener Seite entgegenkommt, 
nicht dadurch abschrecken, daß wir auf jede Bereitwilligkeit nur mit einer raschen 
Mehrforderung antworten. Eines gewissen Grades von Anerkennung bedarf 
auch das prinzipiellste und reinste Streben — möchte ich sagen — zu seiner 
Aufmunterung. Dieser Dankbarkeit Ausdruck zu geben, fühle ich mich um 
so mehr berufen, als ich vermöge meiner Stellung von Anfang an in der 
Lage gewesen bin, die patriotische Bereitwilligkeit, mit welcher Seine König- 
liche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin die nationale Ent-
	        
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