Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1016 I. Session des deutschen Reichstages. 1871. 
wicklung aufgenommen hat, zu beobachten und zu bekunden. Es wurde heute 
geäußert, Mecklenburg wäre ganz besonders in der Lage gewesen der Herstellung 
der Bundesrerfassung Schwierigkeiten zu bereiten, — mit Rücksicht auf die 
geographische Lage Mecklenburgs. Ich kann mir nicht denken, daß irgend 
ein noch so konserrativer Mecklenburger sich mit dem Gedanken vertraut 
gemacht haben sollte, sein Geschick von dem des Deutschen Vaterlands, gestützt 
auf die Ostsee, trennen zu wollen. Die Stärke Mecklenburgs lag in einem 
andern Motiv. Sie lag in der rückhaltslesen Bereitwilligkeit mit welcher 
Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hause aus die Sache Preußens 
und Deutschlands unterstützt hatte. (Hört! hört!) Wir waren mit einigen 
unserer Norddeutschen Bundesgenossen im Kriege, und die Entwicklung der 
Bundesrerfassung ergab sich ganz natürlich als Gegenstand der Friedensver- 
handlung. Von anderen waren wir nicht mit der Bereitwilligkeit unterstützt worden, 
daß eine besondere moralische Pflicht, cin besonders lebhaftes Gefühl der Dankbar- 
keit als Resultat der zum Theil ziemlich lauen — Zurückhaltung gewesen wäre, 
mit welcher unsere Bundesgenossen die Entwicklung begleiteten. Ganz anders 
aber lag die Sache mit Mecklenburg. Unter denjenigen Bundesgenossen, 
welche sich von Hause aus rückhaltslos der neuen Entwicklung hingaben, 
welche mit eigener Gefahr die Möglichkeit dazu erst erstritten haben, steht 
Mecklenburg-Schwerin in seiner Bedeutung und in der Activität, mit 
der es zu Werke ging, oben an. Der Großherzog hat nicht gewartet, bis 
die Würfel sich zu Gunsten Preußens entschieden, er ist von Hause aus mit 
seiner ganzen Macht — und das Beispiel seines Vorfahren zu den Zeiten 
des Herzogs von Friedland hat ihn dabei nicht geschreckt — mit seiner 
ganzen Macht für uns eingetreten, und hat sich thatsächlich am Kampfe be- 
theiligt. Wie stand es nun, wenn ein solcher treuer, mit uns zugleich sieg- 
reicher Bundesgenosse gesagt hätte: Nein, ich will nicht; thut was ihr wollt, 
aber — das kann ich nicht!? Konnten wir gegen das treu verbündete 
Mecklenburg Gewalt brauchen? War die Versuchung, waren die Gründe, die 
der Großherzog anführen und ableiten konnte aus dem inneren Zustand seines 
Landes, aus dem mäöglichen Widerstreben der rerfassungsmäßigen Organe, 
aus den Rechten der Stände dort, aus dem Bestande der Verfassung, die 
jedenfalls mit seiner Unterschrift, mit seiner persönlichen Verpflichtung wieder mit 
eingeführt worden war, — wären solche Gründe nicht fast unanfechtbar gewesen, 
sobald der Großherzog sie als Vorwand benutzen wollte? Jeder Versuch dazu 
hat aber dem Herrn fern gelegen; mit einer dankenswerthen Bereitwilligkeit 
ist er damals auf die Intentionen des Bundes eingegangen! Warum sollte 
er es ferner nicht in einer Zeit, wo seine Aufgabe viel weniger gefahrwoll 
und viel leichter ist, wo viele Hindernisse überwunden sind, wo die Barrikaden, 
die eine alterthümliche Verfassung und langjährige Ansammlung des Schuttes 
der Aufräumung und dem Durchbruche neuer Straßen entgegensetzte, beseitigt 
sind? Warum sollte unser Vertrauen jetzt ein minderes sein? Und wenn ich 
von diesem Vertrauen ausdrücklich Zeugniß ablege, so geschieht es, damit nicht
	        
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