Wagener. 1059
etwas mehr die Widerlegung überlassen, ich will nur noch auf zwei Dinge
hinweisen. Herr Migquel hat selbst gesagt: wir wollen ja nur den Grund-
satz, es versteht sich ja von selbst, leisten werden wir vor 20 Jahren in
dieser Sache nichts. Nun, meine Herren, dann lassen Sie uns doch noch
ein bischen warten, in 20 Jahren kann Mancherlei passiren, und es wäre
möglich, daß schon nach 5 Jahren selbst Herr Miquel auf diesem Gebiete
ganz andere Anschauungen hat als jetzt. Mir scheint also in der That
periculum in mora noch nicht vorhanden zu sein. Wir sind deshalb auch
nicht der Meinung, Ihren Antrag deshalb zu bekämpfen, weil er uns in
der nächsten Zeit ganz besonderen Schaden thun würde, sondern weil Sie
durch Ihre eigene Deduktion selbst den Beweis führen, daß es Ihnen zu-
nächst gar nicht um die praktische Seite der Sache zu thun ist sondern nur
darum, einen Grundsatz zu etabliren, den ich dahin bezeichnen möchte: wir
wollen bei Zeiten die Souveränetät des Reichstages feststellen, so daß wenn
wir uns einmal gewillt oder geneigt finden davon Gebrauch zu machen,
Niemand existirt, der uns in der exakten Ausübung dieser Souveränetät ge-
niren oder hindern kann. Das ist die eigentliche Bedeutung dieses Antrages,
er ist nicht national, nicht patriotisch — das wollen wir Alles auch, aber wir
wollen nicht einen unpraktischen Grundsatz etabliren, der nothwendig die ganze
Basis der Norddeutschen Bundesverfassung nicht bloß in Frage stellt sondern
erschüttert und untergräbt. Zum Schluß will ich den Herrn Miguel noch
darauf aufmerksam machen, daß er gesagt hat, eigentlich könnten wir umserer-
seits wohl von der Auffassung ausgehen, daß Alles, was nach den von uns
angenommenen Gesetzen, nach der Organisation der Gerichte v. nothwendig
und vernünftig ist, ohne weiteres auch zu unserer Kempetenz gehört. Meine
Herren, es ist das allerdings eine mehr philosophische, wie ich glaube, als
eine juristische Deduktion. Ich möchte dem Herrn Miguel die Kehrseite der
Medaille zeigen. Wir gehen von der Voraussetzung aus, indem wir darauf
verzichten, die kleinen Regierungen grundsätzlich zu mediatisiren, — ich sage
— wir gehen von der Voraussetzung aus, daß die Regierungen der Einzel-
länder auch aus remünftigen Leuten bestehen und daß sie deßhalb auch
selbst so einsichtig und verständig sein werden, das, was nach den giltig be-
schlossenen Gesetzen des Norddeutschen Bundes vernünftig und nothwendig
ist, auch ihrerseits ins Leben zu führen. Meine Herren, Moser sagt: keine
größere Gefahr für die gemeine Freiheit als die allgemeine kodifizirte Gesetz-
gebung! — Ich würde sehr viel von meinem Vergnügen innerhalb des
Norddeutschen Bundes verlieren, wenn ich immer sollte in dem Bewmußtsein
herumgehen, mit meiner ganzen bürgerlichen Existenz auf nichts weiter mehr
als auf die Beschlüsse des Norddeutschen Reichstages angewiesen zu sein.
(Heiterkeit.) Wir haben bekanntlich schon eine recht große ich moöchte
sagen fast eine zu große Portion von Kompetenz, und wenn Sie sich
erkundigen werden, meine Herren, was von den Dingen, die bisher unserer
Kompetenz überwiesen sind auf dem Gebiete des Rechts, bisher fertig ge-
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