Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1060 1869. Art. 4 Ziff. 13. 
worden ist, dann werden Sie vielleicht weniger hitzig sein, uns noch mit 
neuen Aufgaben zu belasten. Lassen Sie uns erst das fertig machen, meine 
Herren, und ich bezweifle nicht, daß auch die Regierungen so patriotisch sein 
werden, dann demnächst auch zu dem ihre Zustimmung zu geben, was als 
nothwendige Konsequenz der Vorschritte sich als geboten und unvermeidlich 
erweist. (Bravok rechts.) 
Dr. Jriedenlhal (Neiße)'): Meine Herren, der Herr Vorredner hat 
in dem Haupttheile seiner Deduktion ausgeführt, daß der Reichstag nicht 
kompetent sei, den vorliegenden Antrag anzunehmen. Ich will mich in diese 
Ausführungen nicht allzusehr vertiefen; es wird wohl im Verlauf der De- 
batte sich von der Seite, von der der Antrag zunächst ausgegangen ist, noch 
Gelegenheit finden, darauf näher einzugehen, und da der Herr Vorredner 
von vornherein die Polemik in dieser Beziehung gegen die Mitglieder, die 
sich mit der Materie früher bereits hier beschäftigten, gerichtet hat, so glaube ich 
schon deßhalb mich über diesen Punkt kurz fassen zu dürfen. Der Herr 
Vorredner hat gesagt: es giebt verschiedene Arten von Verfassungsänderungen, 
erstens Verfassungsänderungen in nerhalb der Kompetenz des Bundes, und 
Verfassungsänderungen außerhalb der Kompetenz des Bundes; dann giebt 
es Verfassungsänderungen, die in der Form bestimmt formulirter Gesetzes- 
anträge aus dem Schooße des Reichstages hervorgehen, und Verfassungs- 
ä#nderungen, welche in dieser Form aus dem Schooße des Bundesraths 
hervorgehen. Er hat dann weiter gesagt: diejenigen Verfassungsänderungen, 
welche innerhalb der Kompetenz des Bundes liegen, anzuregen ist der 
Reichstag berechtigt in der Form von Resolutionen, dagegen nicht in der 
Form, in welcher man Gesetze im Wege der Initiative einbringt — (Wider- 
spruch), so habe ich das wenigstens verstanden. Was diese Unterscheidungen 
betrifft, so kann ich mir sehr wohl denken, daß irgend eine ideale Ver- 
fassung der Welt dieselben enthalte, und ich kann mir auch denken, daß ich 
selbst zu denjenigen gehören könnte, die solche Unterscheidungen machen und 
aunehmen; in der uns vorliegenden Verfassung aber vermag ich diese 
Unterscheidung nicht zu finden, und deshalb, weil ich diese Unterscheidungen 
darin nicht zu finden vermag, kann ich, wenn ich unbefangen und ohne auf 
eine gewisse feine und inquisitorische Manier den einzelnen Artikeln zu Leibe 
zu gehen, mir die Artikel ansehe — es sind die Artikel 23 und 78 — nur 
zu dem Resultate kommen: Verfassungsänderungen sind zulässig, sobald der 
Reichstag mit einfacher Majorität und der Bundesrath mit Zweidrittel-Ma- 
jorität denselben zustimmt. (Sehr richtigl) Was die weiter gehende Frage 
betrifft, die unabhängig ist von diesen ersten Unterscheidungen, ob wir über- 
haupt eine Verfassung haben, ob wir einen Bundesvertrag haben: 
diese Frage, meine Herren, möchte ich ebenfalls nicht beurtheilen und hier 
  
) St B. S. 451 l. g. u.
	        
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