Friedenthal. 1063
auf die militärischen Verhältnisse das Eigenthum zu beschränken, so ist doch
der nächste Gesichtspunkt, nach dem wir eine solche Frage entscheiden, dor
Gesichtspunkt der Eigenthumsrechte, wie weit wir das Eigenthum beschränken,
und wenn wir es beschränken, wie wir den Eigenthümer entschädigen müssen,
— ein rein sachenrechtlicher Gesichtspunkt. Das beweist, daß man die Ge-
setzgcbung nach Titeln nicht zerreißen kann. Was die Kodifikationsfrage be-
trifft, so weiche ich in dieser Beziehung von dem Herrn Antragsteller ab,
daß ich bei der gegenwärtigen Lage der Sache keine Kodifikation wünsche.
Ich sehe aber auch keine Gefahr der Kodifikation, denn eine Kodifikation
kann nur von den Regierungen ausgehen, — der fleißigste Reichstag, ein
Reichstag, der noch mehr arbeiten würde, als wir, würde nicht in der Lage
sein, ein deutsches bürgerliches Gesetzbuch selbst bei dem heftigsten Drange,
von sich zu geben. — (Heiterkeit.) Es wird der Zeitpunkt einer solchen Kodi-
fikation lediglich in das Belieben der Regierungen gestellt sein, wir können
das nie übereilen. Für mich, meine Herren, liegt der Ernst des Antrage
— und unter Ernst verstehe ich die Nothwendigkeit ihn bald anzunehmen
und nicht etwa nach 5 Jahren — darin, daß ich für die Deutsche Wissen-
schaft wieder Boden gewinnen will. Meine Herren, wir haben diesen Boden
verloren, wir mußten diesen Boden verlieren, weil die Rechtswissenschaft nur
dann sich warm und eernst mit ihren Objekten beschäftigen kann, wenn sie
ein legislatorisches Ziel vor Augen hat, wenn sie nicht bloß zur Belehrung
für die Schüler arbeitet, sondern vorbereitet für das Leben. Und
das haben wir verloren mit der Aufgabe des gemeinen Rechts, und in dem
Augenblicke, wo wir diesen Antrag annehmen, wird auf unseren Akademieen
und Universitäten sich wieder Deutsches Rechtsleben in der vollsten Bedeutung
des Wortes entwickeln. (Sehr richtig!) Das wird der praktische Gewinn
sein, den wir von dem Antrage haben, nicht aber der, daß wir ein Präfudiz
für künftige Verfassungsänderungen geben. Meine Herren, darüber, wie die
Sache liegt, und dafür, daß es sich hier nicht um einen staatsgefährlichen
Angriff auf die Verfassung und um Vergewaltigung der Einzelstaaten han-
delt, freue ich mich Ihnen ein Beweisstück vorlegen zu können. Ich habe
hier eine Zeitung vor mir liegen, worin die Mittheilung steht, daß im Hohen
Bundesrathe der Staat Hamburg den Antrag gestellt habe, wenn schon
einmal ein oberster Handelsgerichtshof geschaffen werden sollte, einen obersten
Gerichtshof für alle privatrechtlichen Streitigkeiten einzusetzen. Der
Antrag wird folgendermaßen motivirt und ich nehme an, daß bei einer solchen
ausführlichen Mittheilung, die offenbar auf offiziellen Aktenstücken beruht,
die betreffende Zeitung nicht die Unwahrbeit geredet hat. Die Motivirung
lautet folgendermaßen, nachdem vorausgeschickt ist, daß wir die Einsetzung
eines Handelsgerichtsbofes angenommen haben: „Unter diesen Umständen
wird der Wunsch gerechtfertigt erscheinen, dic drohenden Uebelstände durch
eine möglichst vollständige Erreichung der mit der Errichtung eines Bundes-
gerichtshofes bezweckten Wohlthat übereinstimmenden Rechtspraris im ganzen