Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Zehmen. Schulze. 1073 
gramm noch in dieser Hinsicht geht. Aber die eine kleine Bemerkung möchte 
ich mir noch gestatten. Die Herren scheinen Unglück mit ihrer Politik zu 
haben, sie wählen immer Mittel, die nach einigen vorübergehenden Erfolgen 
schließlich in das Gegentheil von dem überschlagen, was sie wollen. Ihr 
Wahlspruch war durch die Einheit zur Freiheit! Nun, wie steht es damit? 
Wie es mit der Einheit steht, und was Sie darunter verstehen, das habe 
ich dargelegt. Wie steht es mit der Freiheit? Sie treiben ohne weiteres 
in den centralisirenden Einheitsstaat hinein, in den absoluten, ab- 
strakten Staat, das ist Ihr Ideal, aber, meine Herren, das ist der Todfeind 
aller Freiheit. Es ist gar kein echtes inneres Volksleben möglich, wenn der 
absolute, abstrakte Staat zur Herrschaft kommt. Sie haben den Rechtsstaat 
gründen wollen, meine Herren, und Sie werfen die Rechtssphären, die Rechts- 
verhältnisse und die Rechtseinrichtungen so durcheinander, daß sich das Recht 
nie konsolidiren kann, und ohne Konsolidation des Rechts kann es überhaupt 
kein Recht geben. Sie haben endlich, was ich schon erwähnt habe, auf Ihre 
Fahne geschrieben: Vereinigung Deutschlands zur großen Nation! und Sie 
legen einen Stein nach dem andern in den Weg zur friedlichen Vereinigung 
mit den Süddeutschen Staaten! Der Antrag auf ein gemeinsames bürger- 
liches Recht, der heute diskutirt wird, ist ein eben solcher Stein, wie die 
Rufe nach verantwortlichen Ministerien. Auf diese Weise, meine Herren, 
glaube ich, ist es unmöglich, zu einer friedlichen Verständigung mit den 
Süddeutschen Staaten zu kommen, und den anderen Weg — ich habe auch 
schon hier und da ganz einfach jenes Wort aussprechen hören — den andern 
Weg will ich Ihnen weder vorführen noch ausmalen. Aber gestatten Sie 
mir noch die Bemerkung. Wenn es Ihnen selbst gelingen sollte, eine gewalt- 
same Vereinigung Deutschlands, seiner tausendjährigen Geschichte und seinem 
inneren nationalen Charakter entgegen, zu Stande zu bringen, so läßt es sich 
nur zusammenhalten durch eine absolute Militärgewalt, — dann, meine 
Herren, überrascht es mich, daß so viele Mitglieder der liberalen Partei gerade 
durch ihre Centralisations-Tendenzen eigentlich auf diesen Ausgang hinaus- 
treiben. Lassen Sie uns doch lieber als Bundesgenossen friedlich nebenein- 
ander stehen, statt wiederholt ähnliche Anträge unter dem Schein nationaler 
Ideen zu rerfolgen, die in Wirklichkeit in Widerspruch mit den größten In- 
teressen der Nation stehen und die immer nur darauf hinauslaufen, Ihre 
schwächeren Bundesgenossen womöglich zu unterdrücken und in Unfrieden 
mit einander zu gerathen. Bleiben Sie uns lieber mit solchen Anträgen 
vom Halsel! 
Schulze (Berlin VI. früher Delitzsch)"): Meine Herren! Wenn man 
zunächst in der Vorfrage in Bezug auf die Kompetenz des Reichstages in 
den gegenwärtigen Antrag einzugehen hat, so glaube ich, außer dem, was 
*) St. B. S. 456 l. m.
	        
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