Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1074 1869. Art. 4 Ziff. 13. 
schon von dem letzten Herrn Redner, der für den Antrag sprach, erwähnt, 
nur noch kurz auf ein Moment, welches bei der konstituirenden Versammlung 
wesentlich hervorgehoben worden ist, hindeuten zu sollen. Es wird nur darauf 
ankommen, wie man sich zu der ganzen Verfassung stellt. Freilich wird 
man zu den Deduktionen des geehrten Herrn Abgeordneten Wagener gelangen, 
wenn man unsere Norddeutsche Organisation mehr als einen bloßen inter- 
nationalen Bund betrachtet — wie die Verfassung etwa in der Einleitung 
formell den Anlauf nimmt — wenn man es von diesem Standpunkte be- 
trachtet, wo eigentlich die Regierungen allein unter sich härten paktiren müssen, 
dann allerdings darf keine einzige irgendwie durch die andere majorifirt 
werden bei Aenderung eines solchen bloßen Bundesvertrags, und dann sind 
wir nicht kompetent. Wer aber in dem ganzen Werk, das wir geschaffen 
haben, ein wirkliches bundesstaatliches Staatswesen mit Volksvertretung und 
allen dem anhängenden Rechten sieht, der kann sich unmäglich auf diesen 
Standpunkt stellen, wenn nicht wirklich wönliche Bestimmungen der Verfassung 
ihn dazu berechtigen. Nun ist doch die Sache sehr einfach. In der Ver- 
fassung ist bestimmt, daß sich bei der Gesetzgebung der Reichstag innerhalb 
seiner Kompetenz zu bewegen hat. Das ist ja selbstrerständlich, wenn es 
auch nicht in der Verfassung stünde. Allein die Kompetenzgrenzen, als ein 
Theil der Verfassung, können ja doch geändert werden, da nach der Be- 
stimmung in der Verfassung eine Verfassungsänderung überhaupt zugelassen 
und genau bestimmt ist, wie man bei einer Verfassungsänderung zu ver- 
fahren hat gegenüber der bloßen Gesetzgebung. Also, meine Herren, nach 
diesem Artikel kann ja eben die Bestimmung wegen der Bundeskompetenz 
als ein Theil der Verfassung geändert werden, da sich keine Ausnahme in 
dieser Beziehung vorfindet. Ich finde diese Interpretation unendlich einfach 
und nur dann zu bestreiten, wenn man, wie gesagt, den Norddeutschen Bund 
mehr als internationales Bündniß und nicht als eigentlichen Bundesstaat be- 
trachtet. Ich glaube, darauf basirt die ganze Differenz, die in dieser Be- 
ziehung geltend gemacht worden ist. Weiter, meine Herren, hat nun der 
Abgeordnete Wagener uns vorgeführt, zu welchen Dingen das führen könne, 
wie man dadurch auf das Allerunrcrantwortlichste in das Verfassungsrecht 
der Einzelstaaten eingreifen könne; andererseits hat er uns aber auch deduzirt, 
man könne ja zu der Vernünftigkeit der verbündeten Regierungen selbst wohl 
das Vertrauen haben, daß, wo das allseitige Bedürfniß vorliege, seitens der 
Einzelstaaten mit Spezialgesetzen vorgegangen werden würde. Ja, meine 
Herren, sollen wir denn dieses Moment nicht auch für uns im Reichstage 
in Anspnich nehmen, soll man nicht ebensogut, wie wir aufgefordert werden, 
zur Vemünftigkeit der einzelnen Regierungen bei der Ordnung solcher An- 
gelegenheiten Vertrauen zu haben, uns dieselbe Vernünftigkeit zutraucn, daß 
wir wirklich nicht über die gebotenen Grenzen hinausdrängen werden? Ich 
denke, wir können dieselbe Voranessetzung für und in Anspruch nehmen, daß 
wir innerhalb des Bedürfnisses die Grenzen der Kompetenz selbst in dieser
	        
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