Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1086 1869. Art. 4 Ziff. 13. 
wie der Abgeordnete Windthorst, den Staat als eine Art Aktiengesellschaft. 
Wir aber meine Herren, sind fern von der Ueberzeugung, daß wir im Jahre 
1867 nichte gethan hätten, als einen „Bund auf Aktien“ zu etabliren. Wir 
haben diesen Bund geschaffen, weil ein einheitlicher Körper ein Bedürfniß 
für die Deutsche Nation ist, und dagegen kommt man mit solchen Gründen 
des Aktienrechts nicht auf. Die Deutsche Nation will existiren, sie will leben, 
sie will sich bewegen, und dazu bedarf sie eines Körpers. Die Zeit, wo sie 
in der Welt herumschlich wie Banquo's Geist, ohne einen Körper zu besitzen, 
ist glücklich durch die Ereignisse von 1866 beseitigt worden; und zu behaupten, 
es Cxistire kein Deutscher Staat, es eristire keine Deutsche Nation, Deutsch- 
land müsse, um irgend etwas zu beschließen, erst Umfrage halten bei allen 
Regierungen und bei allen Kammern, und wenn nur eine dieser kleinen 
Kammern und nur eine dieser Regierungen nein sage, so sei es mit der 
Sache aus, — das heißt das Jahr 1866 leugnen, das heißt die Bundes- 
verfassung leugnen, weiter nichts! Dem gegenüber wird freilich gesagt: die 
Verfassung könne auf keinem andern Wege geändert werden als auf dem- 
jenigen, auf welchem sie entstanden ist. Wenn das richtig wäre, so könnten 
alle diejenigen zahlreichen Verfassungen, die aus einseitiger Oktroyirung her- 
vorgegangen sind, nicht durch Paktirung zwischen allen Faktoren sondern nur 
im Wege einseitiger Oktroyirung durch die Regierung allein geändert werden. 
Wo soll denn das hinaus? Diese Theorie hat vielleicht auf juristischem Ge- 
biete etwas Scheinbares; aber übertragen wir sie doch einmal auf ein anderes 
Gebiet! Glauben Sie denn, daß der Mensch, um zu leben, um thätig zu 
sein, um das Bereich seiner Thätigkeit auszudehnen, jeden Augenblick, wo er 
eine solche Funktion seiner Thätigkeit vornimmt, zurückgehen müsse auf den 
Grund seiner Entstehung? Glauben Sie, daß ick, um heute Etwas zu thun, 
denjenigen Prozeß wieder durchmachen müßte, den ich durchmachen mußte, 
um aus dem nasciturus ein natus zu werden? (Heiterkeit.) Das ist die 
Konsequenz der Windthorst'schen Theorie. Nun kann man freilich sagen: 
in einem einheitlichen Staate ist das etwas Anderes als wie in einem 
zusammengesetzten Staate; der Norddeutsche Bund ist ja ein zusammen- 
gesetzter Staat. Aber diese Frage ist in der Verfassung geregelt. Denn es 
steht darin mit klaren Worten: „Bundetgesetze gehen den Landesgesetzen 
vor"; und es steht mit klaren Worten darin, auf welchem Wege und in 
welchen Formen Verfassungsveränderungen vorgenommen werden müssen 
— können will ich sagen. Wenn das aber auch nicht der Fall wäre, so 
versteht es sich doch jedenfalls von selbst, daß irgend eine oberste Instanz 
für die Kompetenz da sein muß, und diese oberste Instanz kann, eben weil 
sie die oberste ist, nicht unten sein; sie muß an der Spitze sein und kann 
nicht an der Basis sein. Sie kann nicht sein bei den einzelnen Kammem 
der einzelnen Staaten, und sie kann nur sein in der Bundesregierung, im 
Bundesrathe und im Reichstage. Wenn die Theorie des Herrn Abgeordneten 
Windthorst richtig wäre, so würden z. B. auch die Amerikanische Union und
	        
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