1092 1869. Art. 4 Ziff. 13.
Dr. Schwarze (Dresden)“): Meine Herren! Ich habe um das Wort
gebeten, um gegen den Antrag zu sprechen. Ich gestehe ganz offen, daß
von der rein juristischen Seite betrachtet, der gestellte Antrag außerordentlich
viel Ansprechendes hat, daß die Gründe, welche auch in ziemlich beredter
Weise von dem Herrn Antragsteller sowie von einigen andern Rednern für
den Antrag vom streng juristischen Standpunkte aus vorgebracht worden
sind, alle Beachtung verdienen. Wenn ich also lediglich die juristische Frage
hier mir erlaube zur Erörterung zu bringen, so verbinde ich damit das Ge-
ständniß, daß mir die Entscheidung der Frage, die in dem Antrage der
Herren Miquel und Genossen uns entgegentritt, nicht leicht geworden ist.
Eben deshalb aber boffe ich auch um so mehr Ihre Aufmerksamkeit mir er-
bitten zu dürfen, als abgesehen von den staatsrechtlichen Fragen, die vorzugs-
weise bis jetzt hier betont worden sind, ich als nüchterner praktischer Jurist
die Frage vor Ihnen beleuchten und Ihnen die Gründe vorführen moöchte,
die mich schließlich dazu bestimmt haben, Ihnen anzurathen diesen Antrag
nicht anzunehmen. Diese Gründe sind theils justiz-politischer Natm, theils
rein juristischer Eigenschaft. Ich bemerke dabei zunächst, was das Justiz=
politische anbelangt, daß ich es allerdings auch im Interesse der Justizpflege
und der Gesetzgebung bedenklich erachten muß, fort und fort an den Be-
stimmungen der Verfassung zu rütteln und Aenderungen derselben zu beantragen.
Der Antrag, der Ihnen heute vorliegt, ist bereits im konstituirenden Reichstage
zur Diskussion gebracht und damals nach einer eingehenden Berathung ab-
gelebnt worden. Es wird sich dabei allerdings fragen, ob seit jener Zeit
Momente sich herausgestellt haben, die eine andere Entschließung des Reichs-
tages, der ja beinahe jetzt in derselben Zusammenstellung wie damals erscheint,
rechtfertigen können. Es ist von den Herrn Abgcordneten Miquel und Dr.
Braun geltend gemacht worden, daß die Partikulargesetzgebung gar nicht ge-
hindert werde, in denjenigen Materien, welche von dem Antrage erfaßt
werden, vorzugehen. Es ist geltend gemacht worden, daß die Ausschließlich-
keit des Bundesgesetzes ja nur das bedenten könnte, daß die Partikulargesetz-
gebung nicht gegen ein vom Bunde erlassenes Gesetz für ihr Territorium
ein besonderes Gesetz erlassen könne, und daß, was ich selbst hinzufüge, die bis
dahin erlassenen Partikulargesetze durch ein Bundesgesetz außer Kraft treten.
Allein darin, glaube ich, liegt gar nicht der Kernpunkt der Frage; ich accep-
tire die Erklärung des Abgeordneten I)#r. Braun und Migquel sehr gern,
aber ich meine eben, die Gefahr liegt ganz wo anders. Es hat dem Abge-
ordneten Dr. Braum gefallen, einige Rückblicke auf die Sächsische Gesetzge-
bung und deren neneste Entwickelung zu werfen. Ich stehe hier nicht als
Vertreter der Sächsischen Regierung, aber dessen ungeachtet glaube ich sagen
zu dürfen, daß selbst der leiseste Vorwurf, — ich will es nur so bezeichnen —
der aus seinen Ausführungen zu uns herüber tönt, völlig unberechtigt
*) St. B. S. 462 r. g. m.