Lasker. 1099
meisten Redner haben nicht den geringsten Zweifel übrig gelassen, daß sie
das Gegentheil von dem beabsichtigen und herbeizuführen suchen, was als
Meinung meinem Freund Twesten zugeschrieben wird. Auch in dieser Be-
ziehung kann ich die Namen Ellissen, Miquel, meinen eignen und die
Namen vieler anderer Freunde nennen, welche an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig gelassen haben. Der Herr Abgeordnete Wagener hat sich
heute der Mühe unterzogen, einen Satz von mir vorzulesen und ich habe
genau zugehört, ob er eine entgegengesetzte Ansicht von mir vortragen würde.
Es ist dies nicht geschehen, sondern der Herr Abgeordnete sagte nur zum
Schluß, man brauche meiner Autorität nicht zu folgen und er wolle sich ge-
statten gegen die von mir gemachten Ausführungen Zweifel anzuregen.
Dazu hätte er meine Rede gewiß nicht vorzulesen brauchen und wir hätten
dann fünf kostbare Minuten gespart. Ich meine nun, Aussprüche im
Preußischen Abgeordnetenhause und Herrenhause können ebensowenig wie
Aussprüche in anderen Landtagen für dasjenige maßgebend sein, was in der
Norddeutschen Bundesverfassung gilt. Wir, die wir die Verfassung gemacht
haben und über die Verfassung zu verhandeln hatten, als sie noch im Flusse
war, konnten über die einzelnen Bestimmungen diskutiren und unsere Mei-
nungen zur Geltung bringen. Das ist eine passende authentische Interpre-
tation, soweit nicht die Vertreter der verbündeten Regierungen widersprochen
haben. Die einzelnen Landtage hatten ein fertiges Werk vor sich, sie konnten
nur annehmen oder ablehnen, und welche Wortc die einzelnen Abgeordneten
mit der Annahme verbunden haben, ist gleichgiltig, sobald das Gegentheil
aus dem Inhalte der Verfassung oder den Verhandlungen über dieselbe her-
vorgeht. Es ist weltbekannt, daß die Einzellandtage nur Ja oder Nein
sagen konnten, eine Ansicht in den Berathungen über dieselben — mochte
sie im einen oder im anderen Sinne ausfallen — konnte keine Veränderung
hervorbringen. Wer die Verfassung in ihrer Gesammtheit annehmen oder
ablehnen mußte, dessen Ausführungen sind nicht zur authentischen Interpre-
tation tauglich. Wir dagegen waren im verfassungsberathenden Reichstage
in der Lage, die einzelnen Bestimmungen zu berathen und ihnen die Di-
rektion zu geben. Wir hätten die heutige Ansicht des Abgeordneten Windt-
horst hineinbringen können gegen seine damalige Ansicht, wir haben das
aber nicht gewollt und dies wiederholt deutlich ausgedrückt. Das Vorlesen
hat immer etwas Unangenehmes, aber ich will die betreffenden Stellen vor-
lesen, um mein Wort einzulösen und um zu zeigen, daß ein Mißverständniß
nicht möglich ist. Es hatte der Abgeordnete Zachariae zu Artikel 2 der
Bundesverfassung den Antrag gestellt, als Ueberschrift: „Bundesgewalt" zu
wählen und folgende Bestimmung anzunehmen: „Die Bundesgewalt wird
durch die ihr in dieser Verfassung zugewiesenen Kompetenzen bestimmt und
degrenzt. Die im Bunde begriffenen Staaten behalten ihre Selbstständig-
keit, soweit sie nicht durch diese Verfassung beschränkt ist; sie haben alle
staatlichen Hoheiten und Rechte, soweit sie nicht der Bundesgewalt aus-