1108 1869. Art. 4 Ziff. 13.
vertretungen. Ich halte diese Ansicht für juristisch unrichtig. Um das
juristisch Unrichtige zu erkennen, scheint es mir zunächst nöthig, anzuerkennen,
was derselben Wahres zu Grunde liegt. Wahr ist, daß cin genossenschaft-
licher Verband nur organisch thätig werden kann innerhalb der vereinbarten
Zwecke, für welche er geschaffen ist. Wir kömten auch den Norddeutschen
Bund als einen geuossenschaftlichen Verband anerkennen, den die Herren
meinetwegen, wie ich einmal vorläufig zugeben will, mit einer Aktiengesell-
schaft vergleichen mögen. Aber ist es denn richtig, daß die Formulirung der
Zwecke, für welche dieser Bund geschaffen ist, in den Artikeln der Verfassung
liegt? Ich finde die Formulirung an einer andern Stelle und zwar im
Eingange der Verfassung, wo es heißt: „Seine Majestät der König von
Preußen, Seine Majestät der König von Sachsen u. s. w. schließen einen
ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben
gültigen Rechts, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes.“
Dieses sind die Worte, welche die Zwecke bestimmen, für welche der Bund
geschaffen ist, und sie begrenzen hiernach auch die Kompetenz, innerhalb
welcher sich die Bundesgesetzgebung zu bewegen hat, ohne einer neuen Ver-
einbarung zu bedürfen. Diese Worte gehen in rechtlicher Beziehung parallel
mit den Zwecken, für welche seinerzeit der Deutsche Bund geschaffen wurde,
wo es hieß: er wird geschaffen zur Erhaltung der äußern und innern Sicher-
heit Deutschlands, sowie der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der ein-
zelnen Deutschen Staaten. Wie diese Formel seinerzeit die Grenze bestimmte,
innerhalb welcher die Bundesversammlung organisch, d. h. durch Mehrheits-
beschlüsse, thätig werden konnte, so wird auch vorliegend die Grenze der Kom-
petenz der Bundesrersammlung durch die hervorgehobene, rechtlich parallel
gehende, thatsächlich freilich himmelweit davou verschiedene, Formel begrenzt.
Zu dieser Formulirung der vereinbarten Bundeszwecke verhält sich die Ver-
fassung selbst nur wie ein Gesetz zur Ausführung, und in diesem Sinne
ist es vollksmmen richtig, was neulich als Aeußerung eines früheren Mit-
gliedes dieses Hauses vorgelesen wurde: „wo die Verfassung anfängt, hört
der Vertrag auf.“ In diesem Sinne heißt es in dem Artikel 2: Der
Bund übt die Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung;
und im Artikel 4 werden dann die Gegenstände aufgezählt, für welche die
Bundesgesetzgebung thätig werden soll. Aber dieser Inhalt der Verfassung,
welcher maßgebend sein soll für die Bundeegesetzgebung, ist nicht als ein
unbeweglicher sondern als ein entwickelungsfähiger gedacht, welcher nach den
Formen des Artikels 78 der Abänderung unterliege. Wenn nun eine Ver-
fassungsänderung vorgeschlagen werden sollte, welche außerhalb derjenigen
Zwecke läge, welche im Eingang der Verfassung bezeichnet werden, dann
wäre es allerdings richtig, daß eine neue Vereinbarung nöthig sei. Glück-
licherweise sind aber diese Zwecke so weit gegriffen, daß dieser Fall nicht
so leicht vorkommen wird; und wenn deswegen die Herren der Ansicht
wären, daß der Bund nicht sowohl einer Aktiengesellschaft als vielmehr einem