Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1118 1869. Art. 4 Ziff. 13. 
Aufgabe, welche in der traurigsten Zeit der politischen Zerrissenheit, in der 
Zeit des Deutschen Bundes immer als nationale Aufgabe auerkannt war — 
auf die Aufgabe ein nationales Recht wieder herzustellen, verzichten!?! Da- 
durch würden wir dem nationalen Leben und dem nationalen Interesse wahr- 
lich einen schlechten Dienst erweisen. Um Mißverständnissen entgegenzutreten, 
füge ich ausdrücklich, wie schon von anderer Seite hervorgehoben, hinzu, 
daß es nicht darauf ankommt, eine sofortige Kodifikation des ganzen Rechtes 
eintreten zu lassen. Ob, wann und unter welchen Umständen, dies möglich 
sein wird, das ist eine Frage, über welche sich streiten läßt. Gewiß ist nur, 
daß es sich in den nächsten Jahren noch nicht darum handeln kann. Käme 
es also allein darauf an, so würde unser Antrag allerdings voreilig sein. 
Aber, wie gesagt, darum handelt es sich nicht. Es kommt aber darauf an, 
uns die Möglichkeit zu eröffnen, auf dem Wege allmäliger und stetiger Re- 
form dem Ziele näher zu kommen, diejenigen Gegenstände, in Betreff deren 
das praktische Bedürfniß sich gezeigt hat, die durch die Wissenschaft oder 
durch das lebendige Bewußtsein des Volkes zur gesetzlichen Regelung reif 
geworden sind, dieser Regelung zu unterwerfen und so uns auf der Bahn zu 
dem Ziele, das wir immer im Auge behalten müssen, ein gemeinsames 
Recht für Deutschland zu erhalten, näher zu führen. Damit wir das aber 
können, damit wir nicht gezwungen sind, zu sophistischen oder künstlichen 
Interpretationen zu greifen oder gar in jedem Jahre eine Aenderung der 
Verfassung in Beziehung auf diesen oder jenen Theil des Cirilrechts vorzu- 
nehmen, müssen wir das richtige Prinzip, daß das gesammte Civilrecht zur 
Kompetenz der Bundesgesetzgebung gehört, in die Verfassung aufnehmen und 
ich empfehle Ihnen deshalb die Annahme des Antrages dringend. 
Ackermann (Dresden):") Meine Herren, es war ursprünglich nicht 
meine Absicht, bei der zweiten Berathung zu dem vorliegenden Gegenstande 
das Wort zu nehmen. Da ich aber bei der ersten Berathung trotz wieder- 
holter Anmeldung zum Worte nicht den glücklichen Besitzern des Wortes 
mich beizählen durfte, und jetzt ein beatus qui possicket bin, und da be- 
reits andere Redner bei der heutigen Debatte wieder in das Materielle der 
Sache eingetreten sind, so mache ich von meinem Rechte Gebrauch, um ein 
für allemal den Standpunkt darzulegen, welchen ich nicht bloß bei der vor- 
liegenden Frage sonderm gegenüber allen Anträgen auf Erweiterung der 
Bundeskompetenz einzunehmen gedenke. Meine Herren, daß die Verfassung 
der Ergänzung und Verbesserung fähig und bedürftig ist, wer wollte das 
leungnen! Daß das Streben nach einheitlichem Rechte den schönsten Idealen 
beizuzählen ist, welche die Deutschen Juristen seit Jahrzehnten gehegt und 
gepflegt haben, daß alle die Keime, welche auf dem Boden gemeinschaftlicher 
Gesetzgebung aufgewachsen sind, mit Freuden begrüßt worden sind, nicht 
*) St. B. S. 650 r.
	        
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