Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1120 1869. Urt. 4 Ziff. 13. 
Recht und dessen einheitliche Gestaltung, haben erst recht die Verpflichtung, 
sich von Allem fern zu halten, was auf eine Rechtsverletzung durch die 
Ueberschreitung der Kompetenz hinaus laufen könnte. Als der alte Bundes- 
tag, der übrigens in Frieden ruhen möge, beantragte ein gemeinsames Obli- 
gationen= und Civilprozeßrecht in Deutschland einzuführen, da widersetzte sich 
Preußen und legte Protest ein, weil es meinte, daß der alte Bund nicht ein- 
mal kompetent sei diese Materie des Rechts im Stadium der Vorprüfung 
zu erörtern. Dieselben Bedenken, welche damals gegen die Kompetenz des 
alten Bundes vorgelegen haben, werden auch jetzt Preußens Freunde gelten 
lassen müssen gegen die Kompetenz des neuen Bundes. Aber ganz abge- 
sehen von allen diesen Bedenken gegen die Kompetenz, so ist unter allen Um- 
ständen der vorliegende Antrag nach meiner Ueberzeugung vollständig ver- 
früht. Meine Herren, wenn man sich eine große Aufgabe stellt, — und diese 
ist uns gestellt im Artikel 4 Nr. 13 — so ist diese Aufgabe in der Weise, wie 
sie gestellt wurde, vorerst zu lösen, ehe man daran geht, sie noch zu erweitern. 
Nun frage ich, wo ist denn das gemeinsame Obligationenrecht, wo ist denn 
das gemeinsame Strafrecht, wo ist denn das gemeinsame gerichtliche Ver- 
fahren, welche uns durch den Artikel 4 der Verfassung verheißen sind? 
Lösen wir doch erst diese Aufgabe, ehe wir daran denken, neue zu stellen, 
die, wenn wir sie sofort lösen wollten, dazu führen müßten, den Reichstag 
und den Bundesrath auf Jahre binaus permanent zu erklären. Wollen wir 
sie aber nicht sofort lösen, — es ist heute wiederholt gemeint worden, es 
habe ja noch Zeit damit — ja warum drängen Sie denn dann so, die Ver- 
fassung zu ändern? Legen Sie uns die Frage doch erst dann vor, wenn 
wir das jetzige Pensum gelöst haben! — Der Antrag geht aus von den Ab- 
geordneten Miquel und Lasker. Derselbe Antrag lag dem konstituirenden 
Reichstage vor. Damals widersetzte sich der Herr Abgeordnete Lasker, wenig- 
stens erklärte er, daß ein Bedürfniß zur Einführung eines einheitlichen Rechts 
nach allen Seiten hin sich noch nicht manifestirt habe. Er sprach wörtlich 
Folgendes: Ich glaube, daß ich schuldig bin, zu erläutern, weshalb ich 
namentlich bei dem einen System der Gesetzgebung mich nur auf das 
Obligationenrecht eingeschränft und nicht vielmehr dem Antrage meines 
Freundes, des Abgeordneten Migquel mich angeschlossen habe, daß das ganze 
Civilrecht dem Bunde zugewiesen werde. Das Civilrecht enthält außer dem 
Obligationenrechte die Materien: Sachenrecht, Personenrecht und Erbrecht. 
In keiner dieser Materien liegt die Nothwendig keit einer gemein- 
schaftlichen Gesetzgebung so klar zu Tage wie beim Obligationenrecht; 
theilweise sogar müssen diese Materien der Provinzialgesetzgebung vorbehalten 
bleiben, wie beispielsweise das Erbrecht in erster Linie, sodann das Personen= 
recht, da deren Regeln nach Provinzen sich verschieden zu gestalten pflegen, 
wie das eheliche Güterrecht und verschiedene andere Rechts-Institute.“ Und 
an einer andern Stelle sagt er: „Nun weiß ich zwar, daß eine vollkommene 
Trennung zwischen dem Obligationen= und dem Sachen= und Familienrecht
	        
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