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bahnen selbst überwachen. Diese praktische Nothwendigkeit hat alle civilisirten
Staaten zu einem Kollegium von gleich berechtigten Ministern geführt. Es
kommt nicht auf den Namen sondern auf die Stellung der Verwaltungs-
chefs an. Ist nur Einer verantwortlich, so sind die übrigen in der That sub-
alternisirt, sie müssen sich der Entscheidung des Einen fügen, welcher die
Last und die Ehre der Verantwortlichkeit allein zu tragen hat. Ohne den
Widerspruch gleichberechtigter Kollegen, ohne die Abgrenzung der Gewalten
und Kompetenzen wird immer die Gefahr einer einseitigen Geschäftsleitung,
eines gelegentlichen Eingreifens, der Unstctigkeit und der Widersprüche nahe
liegen. Eine solche persönliche Diktatur kann keine dauernde GEinrichtung
werden. In den Augenblicken großer Entscheidung, in großen Komplikatio-
nen der Staatengeschichte, da mag Alles der auswärtigen Politik unterge-
ordnet werden, wie im Kriege die militärischen Gesichtspunkte ausschließlich
entscheiden müssen; aber das Auswärtige und der Krieg sind ihrer Natur
nach auf das Zweckmäßige des Augenblicks gerichtet, und daneben muß in
einem geordneten Staatswesen das Element des Stetigen, des Regelmäßigen
gleichberechtigt vertreten werden. Die dauernden Interessen des Staates
dürfen auf die Länge nicht den Rücksichten des Moments untergeordnet, nicht
als Mittel für augenblickliche politische Zwecke verwendet werden. Einzelne
materielle Gesetze und Einrichtungen können bei aller ihrer Wichtigkeit für
das bürgerliche Leben nicht ausreichen, um ein Staatswesen zu gründen und
zu erhalten; dazu gehören haltbare, politische Institutionen. Meine Herren,
wir wünschen mit unserm Antrage keine Zukunftspolitik zu treiben, wir er-
gehen uns nicht in Träumen von einem Deutschen Reiche, wie es sich künftig
gestalten möge, sondern wir halten uns an das Praktische, wir verlangen
Etwas, was jetzt geschehen kann und nach unserm Dafürhalten geschehen
muß. Denn das Unfertige und Schwankende, was sich in Uebergangsperioden
niemals vermeiden läßt, kann nicht unabsehbar verlängert werden, ohne
überall Mißstimmung und Unzufriedenheit in gefährlichem Maaße zu steigern.
Wir laufen in der That Gefahr in chaotische Zustände zu gerathen. Die
meisten Arbeiten der Gesetzgebung und der Verwaltung im Bunde werden
bisjetzt und müssen bisjetzt in den Preußischen Fachministerien vorbereitet
werden, aber die Chefs und Räthe dieser Ministerien sind nicht im Stande
ihre Werke vor Bundesrath und Reichsrath zu vertreten, sie werden ihnen
von Anderen korrigirt, sie werden von Anderen gehandhabt; es wird auch
bald Dieses bald Jenes den einzelnen Preußischen Verwaltungszweigen von
dem Bundeskanzleramt zugemuthet, vorgeschrieben, aus dem alten Geschäfts-
kreise entzogen. Ich glaube nicht, meine Herren, daß schon innerhalb des
Preußischen Staates die Dinge auf die Länge in dieser Weise fortgehen
können. Aber ebenso, meine ich, wäre es völlig falsch, wenn man annehmen
wollte, daß eine regelmäßige Ordnung der Verwaltung bedrohlicher für die
anderen Staaten und ihre Selbstständigkeit werden könnte, soweit diese nach
der Bundesverfassung gewahrt ist. Denn, meine Herren, es kann auch jetzt