1140 1869. Art. 17. Verantwortliche Bundesministerien.
dische Gemälde ausmalen können, und ein Bild muß man nicht unfertig
stehen lassen, sonst verwischen sich die Konturen, und es wird ein ganz an-
deres Bild, als wie der Künstler ursprünglich gewollt hat. Die Opfer, die
wir mit unserer Wehrkraft bringen, sind sehr groß und sie sind viel zu groß,
wenn wir sie nicht benutzen, um unsern Staat auf eine feste nationale Basis
zu stellen. Kein Politiker, der die Zustände Europas kennt, der da sieht,
in welcher Bewegung die Romanischen Völker sind, in welcher Bewegung
die Slavischen Völker sind, — der wird daran zweifeln, daß es jetzt Zeit ist
Deutschland gerüstet hinzustellen, daß aber auch auf der anderen Seite wir
Deutschland in nationaler Beziehung einigen müssen. Durch die Eisenbahnen,
durch die Telegraphen sind uns alle unsere Nachbarn näher gerückt. Deutsch-
land ist gewissermaßen der Centralbahnhof von ganz Eurrpa, ja von der
ganzen Welt geworden. Daß aber auf einem Centralbahnhofe nur ein Di-
rektor Ordnung halten kann, daß sonst die Züge in einander fahren, das
werden Sie, meine Herren, wissen. Ebenso geht es in Deutschland. Das
Deutsche Reich muß aus dem Inkognito, in dem es sich jetzt bewegt, heraus-
treten, und um das zu können, müssen wir unsere Bundesverfassung revi-
diren. Unsere Bundesverfassung ist eine Mischung von Staatsverfassung und
Vertrag. Es ist ebenso falsch, sie ein Staatsgrundgesetz zu nennen, als es
unwahr ist. von einem bloßen Vertrage unter gleichberechtigten souveränen
Staaten zu sprechen. Unsere Verfassung greift tief ein in die Souveräne-
tätsrechte der einzelnen Souveräne. Sie hat aber auch einen großen Theil der
Rechte den Vertretungen der einzelnen Staaten genommen, sie hat dabei aber
die Vertretungen bestehen lassen und hat einen Mechanismus geschaffen,
der so komplizirt ist, daß er ganz unmöglich bestehen kann und den Jeder
als einen provisorischen Zustand ansieht. Ich erinnere da nur an die finan-
zielle Seite der Frage: das Zollparlament bewilligt Einnahmen und beküm-
mert sich nicht um die Ausgaben, der Reichstag bewilligt Ausgaben in reich-
lichem Maaße aber sehr wenig Einnahmen, und die Einzelvertretungen, die
zu diesen Ausgaben nichts zu sagen haben, müssen nachher für den Riß
stehen. Das sind provisorische Zustände, die unmöglich bestehen bleiben
können. Das Jahr 1866 betrachte ich als den wichtigsten Abschnitt der
Deutschen Geschichte, als einen Abschnitt viel wichtiger als der Abschnitt von
1815. Aber unsere jetzigen Zustände erinnern mich in mancher Beziehung an
die Zustände von 1815 und der ersten Jahre nach 1815. Im Jahre 1815,
als die Bundesverfassung für Deutschland gegeben wurde, haben die Männer,
die sie zu beraten hatten — und ich weiß das von vielen der Männer selbst —
die haben die damalige Bundesverfassung auch als ein Provisorium angesehen
(Sehr wahr!), sie haben sie ausbilden wollen, sie haben geglaubt, daß sie
ansgebildet werden müßte, und es ist das Jahr 1817 gekommen und Sie
wissen Alle, was aus der Bundesverfassung geworden ist, wie lange sie be-
standen hat. Der Unterschied, der zwischen dem Jahre 1866 und dem Jahre
1815 besteht, beruht aber noch in einer ganz anderen und wichtigeren That-