Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Unruh. 1143 
vom General Cavaignac einfach nicht angenommen wurde. Meine Herren, 
wir sind gerade in der umgekehrten Lage: wir haben Alles, wir haben eine 
Armee mit einem Budget von einigen 60 Millionen, aber wir haben keinen 
Bundeskriegeminister. Wir haben einen ganz ausgezeichneten Preußischen 
Kriegsminister, er ist aber nicht Bundeskriegsminister; gegenüber den Kon- 
tingenten der übrigen zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten ist er 
nicht Kriegsminister: seine Einwirkung kann nur eine indirekte sein, und das 
wünsche ich eben nicht. Meine Herren, wir sollen neue Steuern ausschreiben, 
wir haben ein verhältnißmäßig großes Budget zu verwalten und wir 
haben keinen Finanzminister, der dafür verantwortlich ist. Ich will das 
Bild nicht weiter ausmalen, ich will nur erwähnen, daß ich darin allerdings 
von meinem Freunde Twesten abweiche, daß ich auch einen Justizminister 
für nöthig halte. Herr Twesten hat bereits angeführt, — und die Aeußerungen 
der Herrn Präsidenten des Bundeskanzler-Amts bestätigen es ja — daß die 
wichtigsten und einschneidendsten Gesetze von Preußischen Ministern gemacht 
werden. Nun werden Sie mir doch aber zugestehen, daß der Unterschied ein 
außerordentlich großer ist, ob ein Minister ein Gesetz macht, welches er hier 
zu vertreten hat, oder ob er ein Gesetz macht, was im Bundesrathe Aenderungen 
erleidet, und ob er gar nicht in der Lage ist, meine Herren, hier dem Reichs- 
tage gegenüber seinen Entwurf zu vertheidigen, oder, wie es im Preußischen 
Abgeordnetenhause geschehen ist, auch Abänderungen des Entwurfs als Ver- 
besserungen anzuerkennen. Also gerade die Kraft, welche ein solches Gesetz 
macht, steht uns nicht gegenüber, sie hat keine Verbindung mit uns. Meine 
Herren! Ich erkenne das, was Graf Bismarck geleistet hat, im vollsten 
Maße an: aber ein Mann kann nicht Alles, und kann es nicht auf allen 
Feldern. Er müßte ein Riese nicht bloß an Geist, sondern auch an Körper 
sein, wenn er die Bundesministerien, die ich für nothwendig halte, vollständig 
und so ersetzen wollte, daß wir sie hier nicht entbehrten. Er kann auch un- 
möglich im wahren Sinne des Worts eine wirkliche Verantwortlichkeit für 
alle Zweige der Verwaltung haben. Der Herr Bundeskanzler hat zwar 
seiner Zeit auf eine Anfragc hier erklärt, daß er auch für die Armce verant- 
wortlich sei. Ich lasse es dahin gestellt sein, wie sich dies mit der Stellung 
des Preußischen Kriegsministers verträgt. Bei dem glücklicherweise statt- 
findenden vortrefflichen Verhältniß zwischen dem Preußischen Kriegsminister 
und dem Bundeskanzler haben wir Uebelstände davon bis jetzt nicht empfun- 
den. Das liegt aber meiner Ueberzeugung nach allein in der personlichen 
Stellung. Meine Herren, ich habe die höchste Achmng vor der Person und 
den Leistungen des Herrn Präsidenten des Bundeskanzleramts, aber ich glaube, 
er wird es mir selbst zugestehen, daß seine Stellung doch einc wesentlich 
andere ist, als sic es sein würde, wenn er Minister wäre. Die Mitglieder 
des Bundeskanzler-Amts sind Beamte unter dem Herrn Bundeskanzler; sie 
haben seinen Befehlen und Anordnungen Folge zu leisten, und sie könnten 
höchstens wie jeder andere Beamte im extremen Falle sagen: wir können
	        
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