Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Blanckenburg. 1153 
Er sagt: Das ganze Bestreben der Herren verantwortliche Ministerien zu 
bekommen, das könne er nur mit dem Versuche vergleichen, daß man an 
dem Regierungstopf, der hier an diesem Tische vertreten sei, neue Henkel 
machen wolle, damit man ihn besser fassen und auf dem parlamentarischen 
Feuer des einheitlichen, auf Urwahlen basirten Reichstages kochen wolle! 
(Heiterkeit.) Meine Herren! So ist es auch. Dabei geht die Entwick- 
lung rückwärts — und das möchte ich die Herren bitten von der konservativen 
Partei und meincn andern Freunden, die hier vor mir sitzen, daß sie es sich 
doch noch einmal überlegen möchten, ob sie nicht lieber gegen einen Antrag 
stimmen wollten, den sie freilich mit ihres Namens Unterschrift geziert haben, 
der aber doch möglicherweise einen Verlauf nehmen konnte, den ganz gewiß 
Keiner von ihnen beabsichtigt hat. — Sie sehen aus diesen Deduktionen, daß 
es natürlich meinen politischen Freunden und mir eine Unmöglichkeit ist für 
den Antrag zu stimmen. Ich bin auch ganz außer Stande, Ihnen irgendwie 
eine Verheißung gleichsam zu machen, wann denn nun der Zeitpunkt ge- 
kommen sein würde, wo wir uns auch mit dem Herrn Grafen Münster 
überzeugt halten würden, daß nun schnell wieder etwas Anderes geschehen 
müsse. Meine Herren, ich sehe durchaus keinen Drang schon jetzt über diesen 
Zeitpunkt zu sprechen. Der Herr Abgeordnete Twesten hat gesagt, er wolle 
hier keine Zukunftspolitik machen. Nun, meine Herren, ich will auch keine 
Zukunftspolitik machen, aber das muß ich doch sagen, wenn ein Antragsteller 
sich hier hinstellt und sagt: ich will keine Zukunftspolitik machen, und er 
greift den ganzen Bund, die Verfassung des Bundes auf eine Art und Weise 
an, daß sie wenigstens in ihrem jetzigen Bestande undenkbar wird —! Wir 
begeben uns ja dann in ein neues Provisorium! Ja, es ist freilich Alles 
Provisorium in der Welt: Deutschland ist stets in eimem provisorischen Zu- 
stande gewesen — ich habe leider noch nicht gesehen, daß der Abschluß gekommen 
ist, der seit sechshundert Jahren erstrebt wurde, ich habe das Ziel wenigstens 
immer für unerreicht gehalten! Wir haben gesehen, daß Deutschland sich an 
sechshundert Jahre zerfleischt hat, und nun wollen Sie, in zwei Jahren mit 
einem Male holter di polter soll das alles wieder aufgebaut sein! Haben 
Sie doch einigermaßen Geduld! Was hat unsere Bundesverfassung und was 
hat unser Norddeutscher Bund denn eigentlich verbrochen in den zwei Jahren, 
daß Sie es durchaus für nöthig finden ihm schon wieder einen kleinen 
nationalen Schlag zu geben? Die Einen wollen ihm einen kleinen natio- 
nalen Schlag geben, die Anderen wollen ihm einen recht echt konstitutio- 
nellen Schlag geben: das sind die Unterschiede, die in diesem Antrage ver- 
treten sind! Ich kann nicht finden, daß das nationale Bewußtsein in den 
letzten zwei Jahren heruntergekommen wäre; ich sehe nichts von Negation 
und Stagnation, — ich sehe nur, daß man mit diesem Antrage gewisser- 
maßen unsere jetzige Verfassung negiren würde! Meine Herren, hat denn 
jemals Deutschland eine Verfassung gehabt wie setzt, die uns in dem 
Maaße schützt vor dem Auslande?' Haben Sie denn ganz vergessen, meine
	        
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