Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Windthorst. 1183 
meine Herren, ich bin gewohnt, wenn ich mit meinen Ansichten nicht durch- 
gedrungen bin, mich denen zu fügen, die zum Gesetz geworden sind, und da 
bin ich der Ansicht, daß dasjenige, was- in dem konstituirenden Reichstage 
beschlossen, — die Verfassung des Norddeutschen Bundes wie sie liegt den vor- 
liegenden Antrag als nicht zulässsg erscheinen läßt. In die jetzige Ver- 
fassung paßt ein Bundesministerium nicht, dazu würde vielmehr vor Allem 
erst eine festert Centralgewalt gehören. Nach der jetzigen Bundesverfassung 
ist eine eigentliche Centralgewalt nirgends vorhanden und ich weiß deshalb 
auch nicht, wie die Herren sich denken, daß und von wem das Bundes- 
ministerium errichtet werden soll. Es ist außerdem in der Diskussion nicht 
klar gestellt worden, ob das Bundesministerium, welches man beantragt, 
etwa das Preußische sein, oder ob es außerhalb der Preußischen offiziellen 
Sphäre liegen soll. Von dem Herrn Antragsteller Twesten ist angedeutet, 
daß dies in dem Gesetze nicht festgestellt werden könne, er meint, dies sei 
eine reine Personenfrage. Meine Herren, das ist gar keine Personen- 
frage sondern das ist einfach die Frage, ob allmählich Preußen in dem 
Bund oder ob der Bund in Preußen aufgehen soll. — Es wird hier an 
meiner Seite gesagt: das wäre gleichgiltig, für mich ist es das nicht. — 
Wenn man aber jetzt auf die Konstimirung eines Reichsministerii zurück- 
kommen will, dann wird es nothwendig, daß wir zunächst auch wieder da- 
rauf zurückkommen, die Kompetenz der einzelnen Staaten gegenüber der 
Kompxetenz des Bundes klarer und bestimmter zu formuliren. Es ist außer- 
dem eine anderweitige Garantie für die einzelnen Staaten zu finden. Ge- 
schieht dies nicht, dann bin ich mit dem Sächsischen Herrn Bevollmächtigten 
einverstanden, daß aus der nothwendig zu erwartenden Reihung des bean- 
tragten Bundesministeri# mit den Landesministerien die unglückseligsten Ver- 
hältnisse hervorgehen könnten und müßten. Wenn der Herr Bundeskanzler 
aber glaubt, daß an sich für jeden größeren Staat ein Minister besser sei 
als ein Kollegium ron Ministern, dann muß ich allerdings sagen, daß 
ich ihm darin nicht beipflichten kann. Ich glaube vielmehr, daß auf die 
Dauer ein Verfassungsstaat mit einem Mann an der Spitze nicht be- 
stehen kann. Ein Minister mag, in die Zeiten der ersten Deutschen Ge- 
schichte zurückgegriffen, in die Zeiten der Pipine, irgend welche Bedenken 
nicht gehabt haben. Heute können wir auf die Dauer einen Minister 
nicht ertragen. Wir müssen unter allen Umständen rielmehr vor Augen be- 
halten, daß wir einen richtig konstruirten Bundesstaat machen, in 
welchem das Ganze und die ein zelnen Theile in ihren Begrenzungen 
klarer und bestimmter gestellt sind, als das heute der Fall ist, — in analeger 
Weise wie in Amerika, in der Schweiz und den alten Staaten der Nieder- 
lande. Aber darauf heute schon anzutragen, dazu fühle ich mich denn doch 
nicht reranlaßt. Meine Herren! Nachdem wir erst so kurze Zeit in der 
von Ihnen gewollten Verfassung leben, nachdem wir in dieser Verfassung 
— das läßt sich denn doch nicht läugnen — innerhalb ihrer Kompe-
	        
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