Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1192 1869. Art. 17. Verantwortliche Bundesministerien. 
müssen wir von der generellen Klausel abgehen: daß „mit der Ausführung 
dieses Gesetzes das Ministerium beauftragt wird.“" Diese Klausel scheint uns 
erstrebenswerth nicht des Ministeriums wegen, sondern sie hat die Bedeutung, 
daß dem Bundespräsidium diese Macht gebührt und das Ministerium delegirt 
diese Macht ausübt. Sie verrücken also meiner Meinung nach den Gedan- 
ken und den Sinn, den wir mit der Verfassung verbunden haben, wenn Sie 
solche Gegenstände, welche der Exekutive zu überweisen sind, immer mehr 
und mehr auf den Bundesrath übertragen, — lediglich deswegen, weil Ihnen 
ein Organ des Bundespräsidiums fehlt, welches Sie mit so vielartigen 
Geschäften belasten können. Es wäre eine menschliche Unmöglichkeit dem 
Bundeskanzler alles dies aufzulasten, und man würde nicht bloß in Europa, 
sondern aller Orten den Bundeskanzler für eine fabelhafte und nicht existirende 
Person halten, wenn wir fortwährend ihm allein die Geschäfte der Exekutive 
übertragen wollten. In demselben Athemzuge, in welchem man die ver- 
schiedenen Bundesstaaten uns als Muster empfahl und uns auf die Schweiz 
und Amerika verwies, wurde geleugnet, daß ein Bundesministerium vereinbar 
sei mit der Idee des Bundesstaats, wie wir ihn ausbilden wollen. Meine 
Herren, als ich vorhin sagte, daß alle Staaten der kultivirten Welt ein 
Kollegium von Ministern besitzen, habe ich auch Amerika und die Schweiz 
eingeschossen. Auch diese Bundesstaaten bedienen sich einer Vielheit von 
Bundesministern, auch diese verthcilen die Geschäfte unter einzelne verant- 
wortliche Departements -Chefs, mit dem Unterschiede, daß in Amerika die 
Departements-Chefs dem Präsidenten verantwortlich sind, während bei uns 
die Minister vermöge der konstitutionellen Einrichtungen dem Reichstage 
verantwortlich sein sollen. Vereinigen Sie die Minister, wie ich im Anfange 
meines Vortrages geschildert habe, in einem Ministerium, dessen einzelne 
Mitglieder zu jeder Zeit mit dem Haupte desselben in Uebereinstimmung sich 
befinden müssen entsprechend dem englischen Verfassungsrecht und demjenigen 
öffentlichen Rechte, in welchem allein eine konstitutionelle Staatsverfassung 
ihrem Geist nach sich führen läßt, — dann ist es völlig gleichgiltig, ob die hier- 
durch entstehende Verantwortlichkeit direkt dem Präsidenten als dem Ober- 
haupt des Staates gegenüber oder vermittelt dem Haupte des Ministeriums 
gegenüber wahrgenommen werden muß. Ich glaube deshalb, daß die 
ganze Debatte in ihrem ersten Theile einen röllig verfehlten Weg genommen 
hat und daß sie richtig zum Austrage erst gekommen ist durch die Rede des Herrn 
Bundeskanzlers, welcher die Frage auf die einfachste Form zurückgeführt hat; ob 
es denn unser Wunsch und unfre Absicht sei seinen Willen zu durchkreuzen, 
indem wir ihm gleichberechtigte Männer zur Seite stellen, welche jeden Augen- 
blick in der Lage sind, ihm Schwierigkeiten zu bereiten? Nein, meine 
Herren, das ist nicht unser Wunsch und unfre Absicht; aber wir wollen ein 
Ministerial-Kollegium herstellen, welches in seinen einzelnen Organen selbst- 
ständig die Ressorts verwaltet, welche nicht dem Bundeskanzler vorbehalten
	        
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