Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Lasker. 1193 
sind. Wir wollen Organe, die verantwortlich sind dem Reichstage, aber außer- 
dem verantwortlich dafür, daß sie jeder Zeit sich solidarisch wissen mit dem 
Haupte des Ministeriums. Dieser Gedanke ist kein unausführbarer. Er ist 
nicht neu sondern bewährt in der sehr fest stehenden Verfassung des eng- 
lischen Staates. Nun meine ich noch gegen eine uns im Laufe der Debatte 
gemachte Unterstellung einige Worte sagen zu müssen. Es ist nicht unfre 
Absicht gewesen unsern Antrag so zu motiviren, als ob seit dem Jahre 1867 
zu wenig im Bunde geschehen sei: Wir erkennen gewiß an herrvorragender 
Stelle die Wohlthaten der bisher erlassenen Bundesgesetze an. Auch ist es 
nicht die-Zahl der Gesetze, was ich im Gegensatz zu dem Herrn Minister von 
Watzdorf bemerke, welche wir vermissen, es ist nicht die Gesetzgebung sondern die 
Wirksamkeit und die Ueberwachung der Gesctze, welche wir im Auge haben. 
Die Erekutive ist es, welche wir meinen zu stärken, wenn wir die Lasten 
theilen, wenn wir die allgemeine Leitung dem Haupte des Ministeriums 
lassen, aber die anderen geschäftlichen Lasten theilend unter selbstständige und 
verantwortliche Chefs der Ressorts. In diesem Sinne war unser Antrag zur 
Verfassung im konstituirenden Reichstage gestellt und er steht nicht im ent- 
ferntesten Gegensatz zu dem Geist der Verfassung. Auch giebt er dem Ab- 
geordneten Windthorst nicht entfernt Veranlassung zur Schadenfreude, selbst 
wenn er Neigung für diese edle Empfindung gehabt hätte. (Große Heiter- 
keit.) Wir diskutiren den Antrag, weil sich ein so bedeutender Gesetzes= und 
Verwaltungsstoff über uns häuft, daß wir meinen, wir müssen wie in jedem 
andern Staate ein geordnetes und kollegialisches Ministerium einrichten, aber 
eben dies beweist, wie bedeutend die Thätigkeit des Bundes ist. Wenn der 
Bund nach dem Kompetenzkonflikt -Rezept des Herrn Abgeordneten Windt- 
horst lahm gelegt würde, wenn der Bund wenig zu ersequiren hätte, dann 
läge kein Bedürfniß zu unserm Antrage vor. Weil aber der Bund bläht 
und sich mächtig entfaltet, seine Wohlthaten überall hinstreut und schon einen 
so bedeutenden Theil des gesammten staatlichen Lebens umfaßt, daß nicht 
mehr eine Person allein alles dies technisch kontrolire, deswegen fühlen wir 
uns doppelt zu dem Antrage bewogen, den wir heute diskutiren, und den 
wir so lange wiederholen werden, bis wir von allen Seiten das Anerkennt- 
niß erlangt haben, daß die Ausführung unserer Absicht allein im Stande 
ist die gewaltige Machtentwickelung des Bundes zu fördern, daß die Idee 
der Verfassung aber Schaden leidet, wenn der Schwerpunkt der Exekutive 
aus dem Präsidium in den Bundesrath verlegt wird. Denn das halte ich 
für die schädlichste Folge der bisherigen Entwickelung, daß wider die Tendenz 
der ursprünglichen Verfassung reine Akte der Erxekutive und der diskretionären 
Gewalt nicht dem Bundespräsidium, sondern dem Bundesrathe anvertraut 
würden. Diesem Mangel wollen wir abhelfen, aber Niemandem, namentlich 
nicht bedeutenden und vorwärts leitenden Gedanken ein Hinderniß in den 
Weg legen.
	        
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