Stephani. 1201
einem Mangel bundesfreundlicher Gesinnung des Königlich Preußischen Mi-
nisters des Innern liege, daß gegenwärtig die Provinziallandtage tagen, um
so weniger, als der Mangel an Zeit eine andere Einrichtung jetzt unmöglich
macht. In Bezug auf die Sächsische Regierung wird der Mangel an
Bundesfreundlichkeit ebenso wenig vorauszusetzen sein. Denn die Sächsische
Regierung hat den Landtag schon vor sehr langer Zeit berufen; es waren
wesentlich Berathungen über die Reform des Wahlgesetzes, die gerade in die
Tage der Eröffnung des Reichstages fielen und die mehrere unserer Mit-
glieder abhielten gegenwärtig zu sein; die Königlich Sächsische Regierung
hat diese Gesetzvorlage der Kammer vor reichlich vier Monaten gemacht und
konnte unmöglich voraussctzen, daß die Sächsische zweite Kammer, um jede
Ueberstürzung zu vermeiden, und im Interesse einer recht gründlichen Be-
rathung volle vier Monate Zeit brauchte, um diese Wahlgesetz-Vorlage auf
die Tagesordnung zu setzen. Ich glaube also, der Sächsischen Regierung
kann durchaus kein Vorwurf gemacht werden. Es wird sich nur darum
handeln dasjenige Mittel zu finden, was von Erfolg begleitet ist und wo-
durch wir zu unserem Ziele gelangen und durch welches wir doch den ein-
zelnen Landtagen in ihrer Wirksamkeit nicht weiter zu nahe treten. Ich
hoffe, daß das vorgeschlagene Mittel ausreichen wird, muß aber bemerken,
daß, sollte dieses Mittel erfolglos bleiben oder nicht völlig erfolgreich sei,
für den Reichstag alsdann ein anderes Mittel im Hintergrunde zu stehen
scheint, was er aus eigener Initiatire zu ergreifen hat. Die Verfassung
legt nämlich dem Reichstage die Pflicht und das Recht auf seinen Gang
der Geschäfte und seine Disziplin im Wege der Geschäftsordnung selbst zu
regeln, jedenfalls ist es Sache der Dieziplin dafür zu sorgen, daß die Mit-
glieder des Hauses anwesend seien, und es würde demnach, wenn das heute
besprochene Mittel wirkungslos sein sollte, unsere Sache sein, im Wege der
Geschäftsordnung diejenigen Maßregeln zu treffen, die erforderlich sind, um
dafür zu sorgen, daß unsere Mitglieder anwesend sind. Es ist z. B. bekannt,
daß England in dieser Beziehung praktisch wie immer zu dem erfolgreichsten
Mittel greift, und es würde auch für uns nichts übrig bleiben, als beispiels-
weise bei uns ein separates Zimmer für diejenigen Herren in Bereitschaft
zu halten, welche den Anordnungen des Reichstages Gehorsam zu leisten
nicht in der Lage sind. (Große Heiterkeit.) Ich wünsche und hoffe, daß
wir in Deutschland nicht nöthig haben werden zu diesem Mittel zu greifen,
ich bin aber der Meinung, daß wir es thun müssen, wenn der jetzige Vor-
schlag nicht von Erfolg sein sollte. Darüber kann kein Zweifel sein, daß
wenn der Norddeutsche Reichstag zu tagen hat, er auch tagen muß und mit
erfolgreichen Mitteln die Hindernisse wird zu beseitigen haben, die sich diesem
seinem Tagen von der einen oder andern Seite entgegenstellen werden. In
dem vorliegenden Falle ist das einfache lediglich in unserer Hand liegende
Mittel, im Wege der Geschäftsordnung dafür zu sorgen, daß wohl die Pro-
vinziallandtage tagen können, daß aber unsere Mitglieder hier erscheinen