Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Windthorst. Schmid. 1205 
welches man nachdenken kann. Ich habe für heute nur diese Andeutungen 
machen wollen, ich enthalte mich jeder Begründung, bemerke aber ausdrück- 
lich, daß, was meine Anschauungen über das Oberhaus oder die Verstärkung 
des Bundesrathes betrifft, ich lediglich meine persönliche Ansicht geäußert 
habe. 
Schmid aus Würtemberg (Blaubemn-Ehingen #.)): Meine Hemen, 
ich bin nicht der Ansicht des Herrn Abgeordneten Windthorst, daß der Reichs- 
tag auf die Daner ohne Diüäten nicht bestehen kann; ich glaube aber, die 
Rechtsanschauungen des süddentschen Volkes dahin konstatiren zu sollen, daß 
das Prinzip, welches Artikel 32 der Reichsverfassung ausspricht, im diame- 
tralen Widerspruche zu diesen Rechtsanschaumgen steht. Das süddeutsche 
Volk in seiner Großzahl, meine Herren, weist die Düätenlosigkeit auf die 
Dauer allerdings zurück; es erkennt in dieser Diätenlosigkeit nicht ein Kor- 
rektiv des allgemeinen Stimmrechts, vielmehr eine eminente Beschränkung 
seines allgemeinen Wahlrechts. (Sehr richtig!) Uebrigens bin ich nicht ge- 
willt einen Abänderungsantrag zu stellen, ich glanbe jedoch Ihnen und den 
Wählern Süddeutschlands und speziell Würtembergs meine Gründe hierfür 
angeben zu sollen. Meine Herren, das süddentsche und speziell das schwä- 
bische Volk hat seinen Eintritt in den neuen Deutschen Bund unter dem un- 
geheuren Gewichte welthistorischer Ereignisse nur nach großen Gesichtspumkten 
vollführt; an diesen Gesichtspunkten halten auch wir, dessen Vertreter, fest, 
wir wollen deshalb im Sinne dieser Gesichtspunkte an der Reichsverfassung, 
sowie sie uns vorliegt, zur Zeit nichts ändern. Die nationale Idee war 
bei uns lange verdunkelt; aber nachdem sie einmal zum Durchbrich gekom- 
men ist, nachdem einmal das Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit 
mit Naturgewalt seine künstliche Hülle auch in Süddeutschland, in Schwaben 
gesprengt hat, hängt das Herz der Süddeutschen und speziell der Schwaben 
mit der unserem Wesen eigenen Wärme und Aufrichtigkeit an dem Kaiser 
und an dem Reiche. (Brarol) Meine Herren, die spezielle Sorte von Po- 
litikern aus Hannover, welche den alten Deutschen Bund zurücksehnen, ist 
bei uns glücklicherweise ausgestorben. (Bravol) Es ist ein Zustand der 
Selbstbefriedigung, ein Zustand der allgemeinen Freude, welche zur Zeit die 
Gemüther in Süddeutschland beherrscht. Diese Frende an dem großen und 
herrlichen Werke der deutschen Einigung aber läßt blos den Blick auf das 
Ganze des großen Werkes offen, diese Freude läßt übersehen einzelne Mängel 
und Defekte desselben. Man erkennt in Süddentschland, daß das deutsche 
Verfassungswerk kongruent mit dem germanischen Geiste für die Jahrhunderte 
in seiner Grundlage gegeben ist; man erkennt in Süddeutschland, daß die 
Bewegimgslinie einer gesunden, normalen Gntwicklung dieser Verfassung 
ebenfalls in genialer Konzeption unabänderlich gegeben ist. Man fühlt, daß 
  
*) St B. S. 156 r. g. u. 
76“
	        
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