1216 1868. Art. 32. Diaͤten.
wenn wir weder Zeit noch Opfer scheuen, um hier zu erscheinen. Es ist
freilich Jedermanns Sache zu entscheiden, wohin ihn sein Gewissen und
seine Pflicht ruft. Ich habe meine Stellung aufgegeben in dem Hause, wo
ich Diäten bekam, um hier meine Pflicht und Schuldigkeit ohne Diäten zu
thun. Andere werden beides thun können; ich konnte nur in einem Hause sein
und wählte den diätenlosen Reichstag. Aus keinem andern Grunde bin ich dort
weggeblieben. Wenn man nun schon nach so kurzer Zeit, nach einem Jahre, mit
einer Verfassungsänderung von der Wichtigkeit kommt, so muß man doch besonders
schwer wiegende Gründe dafür haben. Nun frage ich Sie: ist die erste Wahl
ohne Düätensso ausgefallen, daß die Befürchtungen alle eingetreten sind, die Sie
hier im vorigen Jahre prophezeit haben? Meine Herren, schmeckt diese Ver-
sammlung etwa nach Mecklenburgischer Ritterschaft? (Heiterkeit.) Sie haben
gesagt, ohne Diäten bekommen wir eine solche Versammlung. Ich sehe da-
von nichts! Haben Sie nicht gesagt, es werde hier keine Intelligenz ver-
treten sein? Nun, das muß ich gestehen, meine Herren, Intelligenz in Hülle
und Fülle bei allen Parteien! (Heiterkeit.) (s wird keine Partei im Hause
geben, die da sagte: die Intelligenz ist bei uns nicht vertreten. Dann haben Sie
gesagt, die Liberalen würden alle fortbleiben! Sehen Sie sich unsere
Partei-Kartean, wie viele Farben hier vertreten sind; — mehr wie der Regen-
bogen hat! (Heiterkeit.) Wenn Sie diese Farben alle zusammenstellen, so
sind es wohl acht oder neun, allerdings ein anomaler Zustand im Verhältniß
mit andern Ländem, die sich nur in zwei Parteien theilen, für und wider
die Regierung; aber es ist immer so in Dentschland gewesen, man ist immer
viellöpfig gewesen. Acht, neun Partei-Farben schillern hier durch einander,
bringt man sie in ein Kaleidoskop, blau, hellblau, grün, braun, roth, gelb,
so kann keine Partei mit Recht sagen, sie sei zu kurz aus der allgemeinen
Wahlurne hervorgekommen. Die Parteien, welche es im Lande giebt, sind
alle vertreten. Jede Partei kann hier sprechen und sich geltend machen, und
Sie, meine Herren, die Sie am äußersten Ende sitzen (Redner wendet sich
zur Linken), die Sie ohne Diäten erschienen sind als Vertreter des Ar-
beiterstandes, sollten am wenigsten die Diätenlosigkeit beklagen; denn Ihr
Votum hat jetzt einen ganz anderen Nachdruck, als wenn Sie mit Diäten
gekommen wären! Ich bitte Sie daher, meine Herren, den Artikel 32 auf-
recht zu erhalten aus dem Grunde, weil wir wollen, daß die Versammlung
des Norddeutschen Reichstags die erste Versammlung in ganz Deutsch-
land sei! (Lebhaftes Braro.)
Jörsterling aus Dresden (Chemnitz)“): Meine Herren, es ist für uns
Arbeiter von größtem Lebensinteresse, daß dieser Artikel 32 der Verfassung
des Norddeutschen Bundes abgeändert wird, nicht etwa darum, daß wir uns
der Pflicht entziehen wollen, die wir dem Staate gegenüber zu erfüllen haben;
“ ——
*) St. B. S. 51 l. m.