Försterling. Vincke. 1217
aber bedenken Sie, meine Herren, wie schwer es dem Einzelnen von uns
fallen muß, wenn er genöthigt ist eine ganze Zeit lang in dieser geehrten
Versammlung zu sein. Wir haben zu Hause Familie und die will auch
leben und wir sind angewiesen auf unfrer Hände Arbeit, und es ist so nicht
mäöglich, diejenigen Candidaten aufzustellen, die wir aufstellten wollten, sie
find nicht im Stande während dieser Zeit zu leben. Für uns ist das all-
gemeine direkte Wahlrecht von der größten Wichtigkeit. Ich erlanbe mir
daran zu erinnern, daß vor 3 Jahren Seine Majestät der König von Preußen
der Schlesischen Weberdeputation das Versprechen gab, es sollte die Arbeiter-
Frage auf gesetzlichem Wege geregelt werden. Ich glaube, darin ist das Ver-
sprechen des allgemeinen, gleichen, direkten Wahlrechts eingeschlossen gewesen.
Denn es kann eine solche wichtige Frage nicht geregelt werden, ohne daß
wir Arbeiter daran betheiligt sind, und daß wir im Stande sind unsere
Vertreter hierher zu schicken. Ich weiß wohl, daß die Arbeiter in diesem
Kampfe den Privilegien anderer Klassen gegenübertreten, aber die Geschichte
Deutschlands hat gezeigt, daß es in allen Ständen des Deutschen Volkes
Männer gab, welche für das Volk eingetreten sind und seine Kultur ent-
wickelt haben. Ich glaube erwarten zu können, daß die Versammlung dem
Antrag zustimmen wird, um das allgemeine, direkte, gleiche Wahlrecht voll-
ständig zu geben. Ich erinnere daran, daß vor einigen Tagen ein Sächsischer
Abgeordneter gesagt hat: wenn die Vertreter der Arbeiter tüchtige einsichts-
volle Leute sind, so gehören sie in diese Versammlung; sind sie es nicht, so
wird dies der Ort sein, um ihre monströsen Ansichten zu widerlegen. Das all-
gemeine direkte gleiche Wahlrecht ist keine Wünschelruthe, soudern es belehrt
durch seinen Gebrauch, und muß gelernt und geübt werden. Dadurch, daß
Sie das allgemeine direkte gleiche Wahlrecht von dieser Beschränkung befreien,
kommen wir in die Lage, dieses Wahlrecht frei zu üben und einen richtigen
Gebrauch davon zu machen.
Freiherr von Vinche aus Olbendorf (Namslau-Brieg)): Ich hatte
nicht die Absicht bei dieser Gelegenheit das Wort zu nehmen. Der Um-
stand aber, daß der Abgeordnete Waldeck grade den Punkt ausgelassen hat,
welcher für mich der Hauptgrund gegen die Gewährung der Diäten ist, hat
mich genöthigt dennoch aufzutreten. Ich halte für eine der nöthigsten
Eigenschaften eines Abgeordneten: die Selbstständigkeit. Nun gebe ich
gerne zu, Selbstständigkeit ist vorzugweise Sache des Charakters; die Er-
fahrung lehrt, daß oft Männer in den tramigsten äußeren Verhältnissen
selbstständiger sind als solche, welche es durch ihre äußere Lebensstellung sein
könnten, denen es aber an Charakter fehlt. Sie werden mir aber zugeben,
daß man überhaupt bei der Gesetzgebung über die Einrichtung der Landes-
vertretung nur nach allgemeinen Criterien gehen kann, und daß der Mann,
*“) St. B. S. 51 r. g. o.