Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Schulze. 1221 
durch Ihre soziale Stellung haben? Der große Grundbesitzer, der große In- 
dustrielle, wer nimmt ihm denn seinen Einfluß, wenn er ihn nicht selbst ver- 
scherzt durch seine Stellung zu Denen, die sich an seine wirthschaftliche Existenz 
anlehnen mit ihren bescheidenen Existenzen? Und eben so ist es mit dem 
Einfluß, welchen höhere Bildung, welchen eine höhere geistige Befähigung 
gewährt. Diese Einflüsse, die werden sich alle nie besser geltend machen 
können als im völlig ungehemmten Wahlrecht, und sie werden immer die 
Mittel finden zu ihrem Rechte zu gelangen. Das kann kein Gesetz geben, 
das kann kein Gesetz nehmen. Freilich so ganz absolut und allein sich 
hinstellen als großer Grundbesitzer, als großer Industrieller, der rücksichtslos 
kommandirt über eine Anzahl abhängiger Arbeiter, das geht nichtt Wenn 
Sie auch eine solche Stellung verwerthen wollen, dann müssen Sie Denen, 
die an Sie gewiesen sind mit ihrer Eristenz, ein Herz für ihre Interessen 
bewiesen haben, was ja ganz gewiß Viele bereits gethan haben und noch 
thun werden, sonst erreichen Sie Ihren Zweck nicht. Aber, meine Herren, 
verlieren Sie etwa dadurch, wenn Solche, die ihre Sonderinteressen durch 
ihren sozialen Einfluß auf das Aeußerste und Rücksichtsloseste ausbeuten, ge- 
schieden werden aus der Volksvertretung? Sie verlieren gewiß dadurch 
nichts; denn durch solche äußerste Ausbentung ihrer sozialen Stellung in den 
letzten härtesten Consequenzen würden sie in der Volksvertretung doch nur 
geradezu zum Bruch mit jener Stellung, zur Schädigung ihrer eigenen 
wahren Standes-Interessen hinwirken. Ich meine, so liegen die Dinge nicht. 
Man hat nun noch und namentlich Seitens des geehrten Abgeordneten von 
Blanckenburg der Versammlungen von 1848 gedacht, die diätenlos eine ganz 
entschieden bessere Stellung im Volke gehabt haben würden. Meine Herren, 
es ist freilich in einer Hinsicht sehr müßig jetzt zu untersuchen, wie jene Ver- 
sammlungen ohne Diäteu zusammengesetzt gewesen sein würden und was sie 
dann herausgearbeitet haben würden. Ja, sie waren an einen schweren 
Posten gestellt! Ich denke aber, meine Herren, wenn Sie so billig sind zu- 
zugestehen, daß solche ersten Anfänge des politischen Lebens, besonders unter 
so ausnahmsweisen Zuständen wie die von 1848, immer in jedem Lande 
und in jedem Volke ihre großen Schwierigkeiten haben und stets haben wer- 
den, — wenn Sie so billig sind, das zuzugestehen, und Sie nehmen die 
Arbeiten und Errungenschaften, die wir noch in unserer Constitution haben, 
so glaube ich, werden die Männer von damals, die unter schwierigen Lagen 
aushielten, die ihre Aemter, ihre Eristenz, ihre Freiheit daran setzten, um 
für ihre ehrlichen Ueberzcugungen, um für ihre Arbeiten einzustehen, wenn 
einmal die Elemente dieser Versammlung andere sein werden, wahrscheinlich 
noch ihre Anerkennung, ihre Stellung in der Geschichte finden. Und so 
wenig sie beanspruchen, absolut das Rechte getroffen zu haben, so wird man 
ihnen doch bezeugen, sie haben nach Kräften gearbeitet und haben für uns 
und unsere Enkel den Grundstein zum weiteren Ansbau des konstitntionellen 
Lebens unseres Volkes gelegt. (Bravo links.) Ich warne noch vor Einem, 
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