Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1230 1866. Art. 32. Diäten. 
fabren, dann würden sich unsere Geschäftsordnungen ändern, die unnütze 
Schwätzerei wird todtgeschlagen (Heiterkeit) und das ist die Hauptsache! Das 
erhöht am meisten die Würde jeder Versammlung! Ich bin also im Prinzip 
gegen die Sache, weil es unpraktisch ist; es ist nicht möglich ein gleiches 
Maaß herzustellen es etablirt nur die Bevorzugung einer Klasse, ich weiß 
sie nicht besser zu bezeichnen als das gebildete Proletariat, ich meine damit 
diejenige Klasse, die sich Bildung verschafft hat, aber die Bildung noch nicht 
so praktisch angewendet hat, daß sie sich durch dieselbe eine unabhängige 
Stellung errungen hat; und diese Klasse halte ich gerade für die allergefähr= 
lichste in Volksrertretungen. Das ist eine Klasse, die nur in Theorien und 
Phantasien lebt, der es aber an praktischer Erfahrung noch fehlt. Die Eng- 
länder, die man jä für das praktischste Volk hält, sagen in dieser Beziehung: 
Jede Bildung, die sich noch nicht eine unabhängige Stellung erworben hat, 
die noch nicht die Probe abgelegt hat, daß sie praktisch ist, die taugt nichts 
für eine Volksvertretung. Jeder, der die nöthige Bildung hat, wird sich 
früher oder später eine unabhängige Stellung erkämpfen. Durch die Diäten- 
losigkeit wird keinerlei Bildung vom Eintritt in das Parlament ausgeschlossen, 
der Eintritt wird nur vertagt bis zu einem gewissen reiferen praktischeren 
Alter; und das ist für die Volksvertretung sehr viel wünschenswerther, als 
wenn die Bildung zu grün hereintritt. (Bravo!) Es wird aber auch bei 
Gewährung von Dieten durch die innere Lüge, die darin liegt, ein Aequi- 
valent zu geben der Würde des einzelnen Empfängers wie der ganzen Ver- 
sammlung in den Ausichten des Publikums geschadet. Ich wende mich nun 
zu der falschen Anwendung des meiner Ansicht nach falschen Prinzips. Es 
ist hier von einem der Herren Vorredner, der wahrlich glaube ich über den 
Verdacht erhaben ist mit mir zu derselben Partei zu gehören, ausgeführt, 
daß jeder Abgeordnete seinen Kreis, seine Wähler vertrete. Ich halte es für 
durchaus falsch, wenn der Staat in den Vordergrund gestellt wird. Jeder 
Abgeordnete vertritt zuerst seinen Kreis, dann seine Provinz oder seinen Staat, 
und zu allerletzt erst den Bundesstaat, (Heiterkeit) nach dem einfachen Grund-= 
satze, weil jedem das Hemd näher ist als der Rock. Dezhalb ist es falsch, 
aus der Bundeskasse Diäten zu gewähren. Wenn man sich überhaupt auf 
das Prinzip der Diätengewährung stellen will, dann muß es heißen: aus 
der Kreis= oder Kommunalkasse. Sodann enthält der Paragraph eine meiner 
Meinung nach ganz ungerechtfertigte Beschränkung der persönlichen Freibeit. 
Er lautet: Cin Verzicht darauf ist nicht zulässig. Meiner Meinung nach 
sollte er heißen: GEin Verzicht darauf ist zulässig. Ich verstehe sehr wohl 
das Motir, welches Sic hierbei haben. Sie wollen den weniger Bemittelten 
nicht benachtheiligen den Bemittelten gegenüber, Sie sehen sich aber nur Eine 
Seite der Medaille au. Es ist hier schon heute der Grundsatz ausgesprochen: 
noblesse oblige. Ja, meine Herren, das Volk erwartet von Jedem, der sich 
in einer so hervorragenden sozialen Stellung besindet, daß er ein Amt wie 
das unserige als ein Ehrenamt annimmt, und Sie verdunkeln dessen Stellung,
	        
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