Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Historische Einleitung. 109 
mit dem Norddeutschen Bunde verbanden, zu einem Verfassungs-Bündnisse 
überzugehen."“ 
Ueber den Gang der hierdurch angebahnten tbells in München und 
Smttgart, theils in Versailles und schließlich in Berlin gepflogenen Ver- 
handlungen hat der Präsident des Bundeskanzleramts, Staats- 
minister Delbrück in einer, am Dezember 1870 bei (Eröffnung der 
Ersten Verathung des Reichetages über die Versailler Verträge gehaltenen, 
Rede’) Aufschlüsse ertheilt. Diese Rede lautete: 
„Als im Frühjahr 1867 die Verfassung beratben wurde, auf Grund 
deren wir hier versammelt sind, gab es einen Gedanken, in welchem bei aller 
senstigen Meinungsverschiedenheit die Freunde und die Gegner des damaligen 
Verfassungs-Entwurfs sich zusammenfanden, der Gedanke nänmlich, daß die 
damalige Begrenzung des Bundesgebietes nicht auf die Dauer fortbestehen 
dürfe. Die Gegner der Verfassung machten es ihr zum Vorwrrf, daß sie 
überhaupt diese Grenze enthalte; die Freunde der Verfassung rühmten es ihr 
als einen Vorzug nach, daß sie so gest altet sei, um den Gimritt der süd- 
deutschen Staaten in das Bundesverhältniß möglich zu machen. Seinen 
prägnautesten Auedruck fand dieser Gedanke, als der Reichstag auf den An- 
tag der damaligen Herren Abgeordneten für den 1. Berliner Wahlkreis 
und für Osnabrück mit sehr großer Majorität beschloß, dem letzten Artikel 
der Verfassung den Satz binzuzufügen: „Der Eintritt der süddeutschen 
Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt auf den Vorschlag des 
Bundespräsidiums im Wege der Gesetzgebung.“ Dieser damals mit sehr 
greßer Mehrheit angenommene und in die Verfassung übergegangene Satz 
batte nach der Absickt seiner Urbeber den Zweck, auszusprechen, daß das Ziel 
und die Aufgabe der deutschen Nation eine volle staatliche Vereinigung aller 
ihrer I eile sei. Die Vorlagen, meine Herren, in deren Verathung Sie 
heute eintreten, haben die Aufgabe, diesen damals ausgesprechenen Gedanken 
zu erfüllen. Sehr viel rascher, als es bei der Berathung der Verfassung 
gehofft werden konnte, rascher, als es selbst die lebhaftesten Anhänger der 
Rrutschen Einheitsidee zu erwarten wagten, hat ein großes weltgeschichtliches 
Ereigniß sämmtliche deutsche Stämme mit dem Bewußtsein erfüllt, daß die 
Jeit gekommen sei für dic volle staatliche Vereinigung aller Theile Deutsch- 
lands, und die sämmtlichen süddeutschen Regierungen bestimmt, mit dem 
Norddeutschen Bunde zur Begründung eines Deutschen Bundes zusammenzu- 
neten. Erlauben Sie mir, mit einigen Worten den äußeren Hergang dar- 
zustellen, aus welchem sich die Ihnen vorliegenden Verträge entwickelt haben. 
Die Initiative kam von Baiern. Die königlich baierische Regierung gab 
im Laufe des September dem Bundespräsidium zu erkennen, daß die Ent- 
wicklung der politischen Verhältnisse Deutschlands, wie sie durch die kriege- 
rischen Ereignisse herbeigeführt sei, nach ihrer Ueberzeugung es bedinge, von 
  
St. B. II. qußerordentliche Session 1870 S. ur .
	        
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