Hänel. 1265
unklarer zu erhalten. Es scheint mir gefährlicher zu sein, die Sachen im
Unklaren zu erhalten, als zu versuchen die Vertragsbestimmung an dieser
Stelle richtig zu deuten, also auch dem jetzigen zweiten Alinea des Artikcls
78 seine richtige Bedentung zu gewähren. Ich ersuche Sie, meine Herren,
den Wortlant dieses Alinea 2 ins Auge zu fassen. Es heißt darin: „Vor-
schriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte Rechte einzelner Bundes-
staaten in deren Verhältnisse zur Gesammtheit festgestellt sind“ rc. Meine
Herren, solche bestimmten Rechte einzelner Bundesstaaten im Verhältniß zur
Gesammtheit kannte bereits die Norddentsche Verfassung. Ich erinnere Sie
an Artikel 34. Hier ist den beiden Hansestädten eine Freihafenstellung ein-
geräumt; nur auf ihren Antrag soll sie verändert werden. Man kann dar-
auf beziehen jene Bestimmung, welche die Postüberschüsse in bestimmter
Weise auf die Matrikularbeiträge der einzelnen Staaten innerhalb einer be-
stimmten Uebergangsperiode angerechnet sehen will. Wemn ich dies zugegeben
habe, daß zu solchen bestimmten Rechten einzelner Bundesstaaten im Ver-
hältniß zur Gesammtheit diese Postüberschüsse gehören, so ist nicht der min-
deste Grund vorhanden, um nicht unter den nämlichen Begriff zu beziehen
sene 15 Prozent, welche die einzelnen Staaten zur Zeit ein Recht haben von
dem Ertrage der indirekten Steuern abzuziehen. Ich will einen andern Aus-
gangspunkt nehmen. Durch die ganze Norddeutsche Verfassung hindurch
gingen die Rechte des Bundespräsidiums, der Krone Preußen. Sie ver-
zweigen sich durch alle Bestimmungen derselben. Meine Herren, fallen diese
Rechte des Präsidiums nicht alle unter den Begriff bestimmter Rechte ein-
zelner Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesammtheit? Wollen Sie
mir diese Voraussetzung nur einen Angenblick zugeben — sie kann ja be-
stritten werden aber geben Sie mir einen Angenblick zu — und Sie
werden mir wenigstens soviel zugestehen müssen, daß sie sehr leicht darunter
bezogen werden kann. Geben Sie mir das zu, dann, meine Herren, würde
es nur eines sehr leichten Schritts bedürfen, um zu sugen: das Stimmenge-
wicht, welches jedem einzelnen Staate in besonderer Weise im Bumderrathe
gegeben ist, ist ein bestimmtes Recht des einzelnen Staats im Verhältniß
zur Gesammtheit. Und wäre man so weit gekommen, dann wäre mir vor
einer weitern Ausdehnung nicht bange. Meine Herren, eine derartige er-
weiterude Interpretation, wie ich sie hier vorgeführt habe, als möglich an-
genommen, wäre unter der Herrsschaft der Norddentschen Verfassung gleich-
giltig gewesen. Denn alle bestimmten Rechte einzelner Staaten im Verhält-
niß zur Gesammtheit standen lediglich unter dem Schutze von Verfassung
und Gesetz, wie denn am letzten Ende selbst die privatsten Rechte Ein-
zelner im Einzelstaat unter dem Schutze von Verfassung und Gesetz
stehen und derjenigen Formen, welche über die Veränderungen von Ver-
fassung und Gesetz geltend sind. Jetzt aber wird diesen Rechten
ein ganz besonderer Schutz verliehen; sie werden gestellt unter
das liberum veto des betreffenden Staates. Meine Herren, ich
behaupte, wenn es gegenüber der Bestimmung der Norddeutschen Verfassung