Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

112 Historische Einleitung. 
in der baierischen Abgeordnetenkammer unter dem 14. December 1870 über 
den Gang der Verhandlungen. Seine Rede lautete’'): 
„Wenige Tage nachher, als dieses Haus dem von Seiner Majestät 
unserm allergnädigsten Könige und Herrn hochgeschwungenen Banner 
folgend, sich entschlossen hatte, die angelobte Vertragstreue zu halten)), 
reihten sich aneinander die merkwürdigen Schlachten von Weißenburg, Wörth, 
Saarbrücken, Metz und Sedan, in denen die Waffenbrüderschaft der deutschen 
Heeie mit theuer erkauften und in edlem Wettstreite errungenen Siegen be- 
kräftigt wurde. Die deutschen Grenzen waren damit gesichert und die deutschen 
Lande von grenzenlosem Jammer und unsäglichem Elend für immer befreit. 
Aufathmete jedes Deutschen Brust und beiße Dankesgebete entqguollen unseren 
Herzen. Aber mächtiger noch als die Freude über die Abwehr des Feindes 
von Herd und Hof, mächtiger noch als die Genugthuung über die Sicher- 
heit unserer Grenzen, über die Sicherung unserer Frauen und Kinder, mäch- 
tiger noch als die Genugthuung über den errungenen Waffenruhm entfaltete 
sich der Gedanke, daß wir alle diese Herrlichkeit und (hre der Einigkeit des 
deutschen Volkes verdanken, entfaltete sich die Ueberzeugung, daß diese Einheit 
nie mehr auseinanderfallen dürfe, — mächtiger noch entfaltete sich die deutsche 
Idce. In dieser Zeit reifte bei der königlichen Staatsregierung der Gedanke, 
daß der Versuch, ein einiges Deutschland unter einer einheitlichen Verfassung 
wieder herzustellen, nicht länger mehr verschoben werden dürfe. Meine 
Herren! Erblicken Sie in dem, was ich soeben sagte, nicht etwa das Zuge- 
ständniß, daß die königliche Staatsregierung in diesem Augenblicke zum 
Erstenmale Deutsch empfunden hätte. Nein! Ich berufe mich auf die Thron- 
rede, in welcher auch unsererseits bereits die Vereitwilligkeit zum Abschluß 
eines deutschen Verfassungsbündnisses ausgesprochen worden ist. Erblicken 
Sie in dem Umstande, daß wir in der eben erwähnten Zeit zum Entschlusse 
gelangten, die deutsche Frage in die Hand zu nebmen, auch nicht das Zuge- 
ständniß, daß wir bis dahin verkappte Nationalliberale gewesen wären, welche 
nur in diesem Augenblicke zugreifen zu dürfen vermeinten, um gegen alle 
bisberigen Jusicherungen nun doch zu dem Ziele zu gelangen, welches dieser 
Partei vor Allem anzustreben gegeben war. Nein! Nach wie vor war unsere 
Absicht und unsere Auffassung die, daß Deutschland nicht für alle Zeit in 
einzelne Theile zerfallen sein könne, und daß die Zeit, von welcher ich eben 
zu sprechen die Ehre hatte, die rechte, die einzige Zeit sei, in welcher diese 
Gestaltung in entsprechender Weise, entsprechend nach jeder Richtung, von 
*) St. B. d K d. Abg. 1870. Bd. IV. S 20. 
“) Unter dem 19. Juli 1870 bewilligte die Adgeorduetenkammer den am Tage 
vorher von der Regierung verlangten Kriegecredit nach hartäckigem, die in die Nacht 
dauernden Kampfe, dem Ausschußantrage auf lewaffnete Neatralttät enlgegen, mit 39 
gegen 58 Stimmen. (Die Reichsrathskammer nahm die Kreditforderung am folgenden 
Tage einstimmig und ohne Discussien an.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.