Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1274 Dritte Berathung über Verfassung und Promulgationsgesetz. 
durch Ihre Zustimmung, meine Herren, nun gesetzlich werden soll, nicht 
einerlei sein will mit dem alten beiligen römischen Reiche Deutscher Nalion, 
das ist zwar durch den verschiedenen Namen schon etwas angezeigt. Das 
Deutsche Reich will nicht einerlei sein mit demjenigen Reiche, welches sich 
nicht ohne Recht das römische Reich nennen konnte, weil es noch an die 
glorreichen Urzeiten des (Eintritts aller Stämme des Deutschen Volkes in die 
große Weltgeschichte erinnerte, und welches sich daneben auch sehr wohl ein 
beiliges Reich nennen konute, weil es sowohl nach seiner Entstehung als nach 
seinem offenen Bekenntnisse nur von denjenigen unsichtbaren, aber wirklichen 
und wahren, ewigen und heiligen Mächten getragen und gefördert werden 
wollte, welche allein ein menschliches Reich tragen und fördern können. Nun 
das ist also zwar gewiß: mit jenem Reiche will dieses Reich, das sich schlecht- 
bin blos neunt das Deutsche Reich und welches freilich neben sich kein anderes 
Deutsches Reich dulden will wie es scheint, (Heiterkeit) — nicht einerlei sein, 
und dennoch — haben wir nicht gesehen, daß man an jenes Reich anzu- 
knüpfen sucht?! Was sind das für Widersprüche, die sich aufs Neue er- 
heben?! Aber noch von einer ganz anderen Seite aus ergiebt sich mir ein 
innerer Widerspruch: bei dem Namen „Das Deutsche Reich“ selbst. Ge- 
schichtlich ist dieser Name, der nun neu aufkommt, „das Deutsche Reich“ 
für diese Stifmng unzweifelhaft aus einer Theorie hervorgegangen, die in 
diesen Zeiten so mächtig geworden ist, einer Theoric, welche gar nicht ein- 
mal ursprünglich deutsch ist, die unter fremden Völkern aufkam, durch die 
französische und italienische Revolution hoch emporgehoben wurde, einer 
Theorie, welche ich immer für das Verkehrteste und Schädlichste gehalten 
habe, was vielleicht im Leben der Staaten möglich ist: der Theorie der 
Nationalitäten. Betrachte ich nun das Deutsche Reich nach dieser Theorie, 
aus welcher es seinem Namen nach offenbar hervorgegangen ist, (da die 
preußische Regierung vor dem Jahre 1866 immer sich sorgsam hütete diese 
Theorie so offen anzuerkennen, ganz anders aber seit 1866 handelt) nun so 
ergiebt sich mir wieder von Neuem ein schwerer Widerspruch dieses Namens, 
denn entweder soll dieser Name „das Deutsche Reich“ dasjenige Reich be- 
deuten, welches alle die Deutschen Stämme und Völker in sich schließt, und 
das wäre doch sein nächster Sinn gerade nach jener herrschenden Theorie: — 
aber obwohl ich mich von Herzen freue, daß Elsaß und ein Theil wenigstens 
von Lothringen zum Deutschen Reich zurückkommen soll, so muß ich doch 
fragen: wo ist denn Luremburg, Limburg, wo sind die Millionen von 
Deutschen, zerstreut im österreichischen Kaiserthum? Also, meine Herren, 
müssen wir wohl auf einen anderen Sinn bei diesem Namen sehen, wir 
müssen sagen, das Deutsche Reich soll auch Nichtdeutsche umfassen; und so 
ist es ja. Warum aber klagen dann die Polen, die Dänen in Nordschles- 
wig" — wir haben ja die Klagen so oft gehört, sie sind uns bekannt; sie 
haben Grund, wenn man von jener Theorie ausgeht und den Namen „das 
Deutsche Reich“ nach jener Theorie betrachtet. Und dann, was mir am
	        
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