Historische Einleitung. 113
uns geschaffen werden könne. Die k. Staatsregierung ergriff die Initiative
für die Gestaltung Deutschlands. Es ist dieses von kompetenter Seite an
denkwürdigem Orte zugestanden worden. Wir rechten nicht mit dem Redner,
der die Initiative dem Volke vindizirte. Ich glaube, wir überheben uns
nicht, wenn wir in Bezug auf die deutsche Politik behaupten, daß wir uns
Eins wissen mit dem Volke, dessen Geschicke wir bis zu dieser Stunde zu
leiten berufen gewesen sind. Wir erblicken in dieser Uebereinstimmung der
I. Staatsregicrung mit den Anschauungen des Volkes über die deutsche Frage
nicht eine Schwächung unseres Standpunktes; im Gegentheile einc Stärkung
unserer Pesition war es, wenn wir genügenden Anlaß hatten, zu glauben,
daß die Richtung, welche wir verfolgen zu müssen glaubten, auch im Volke
bereits tiefe Wurzeln geschlagen habe. Unter allen Umständen lassen wir
Zns genügen mit dem Bewußtsein, unter den deutschen Regierungen die erste
gewesen zu sein, welche es versuchte, die deutsche Jdee vom Gebiete der theo-
n#etischen Erörterungen auf das Gebiet der Thatsachen hinüber zu führen.
Sell ich mun, meine Herren, den Standpunkt, welchen die k. Staatsregierung
eingenommen hatte, noch rechtfertigen? Fast scheint es mir, als würde mit
dem Versuche einer solchen Rechtfertigung etwas Schlimmeres gethan, als
daß etwas Ueberflüssiges geschieht. Für die linke Seite des Hauses ist ein
selcher Versuch ganz gewiß unnöthig, dort walten im Gegentheile ganz andere
Empfindungen ob, wir wissen es, als Bedenklichkeiten darüber, daß ein Ver-
such des Zusammenschlusses zwischen Süd= und Norddeutschland gemacht
wurde. Aber ich bin überzeugt, daß auch die rechte Seite des Hauses eine
Rechtfertigung unseres Verfahrens und unseres Standpunktes nicht bedarf.
Ich wüßte in der That nicht, was wir noch zur Stütze unserer Stellung
bätten wünschen sollen, als das von einer großen Zahl der Mitglieder von
der rechten Seite des Hauses hier aufgestellte Programm, an dessen Spitze
der Satz, worauf es vor Allem ankommt, mit klaren und nicht mißzuver-
stehenden Worten stand, daß der Zusammenschluß Deutschlands in einem Ver-
fassungsbündniß wünschenswerth und nöthig sei. Nur für den Fall, daß sich
in irgend einem Herzen noch Zweifel regen sollten, lassen Sie uns einen
Rückblick auf die Vergangenheit Baierns werfen. Viele Jahrhunderte hin-
duch hatte Baiern — von der Zeit an, da man seinen Namen zum Ersten-
male genannt hat — einen Theil des deutschen Reiches gebildet. Von je
hat es Leid und Freud mit Deutschland getheilt; seine Geschichte war so
eng, als die irgend eines anderen deutschen Gebietes mit der des deutschen
Velkes verbunden, und als das deutsche Reich zerfallen, als die Zeit des
erste Napoleon rorüber war, in welcher Baiern zum Königreiche erhoben
worden ist, jene Zeit, die gleichwohl Niemand eine Zeit der freien Selbst-
beftimmung für Baiern nennen wird, wenn es auch nicht mehr dem Kaiser
mtergeben und nicht mehr Einem Reiche eingefügt gewesen ist, als jene
Jeit vorüber war und man an die Neugestaltung Deutschlands ging, da
dachte Niemand daran, aus Baiern einen international ganz unabhängigen Staat
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