Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Historische Einleitung. 117 
gierungen und Völkern ist ein solches Trauern über ein verlorenes Ideal 
nicht rergönnt; Regierungen und Völker müssen von der Bahre eines ver- 
lerrnen Ideals weg den Blick zum Leben kehren, und das haben wir gethan. 
(Braro.) Sie kennen nunmehr, meine Herren, die Motire, die uns in die 
Lage brachten, Verhandlungen anzuknüpfen. Es geschah, wie Sie wissen, 
dadurcb, daß wir der preußischen Regierung gegenüber den Wunsch aus- 
sprrachen, es möchte ein Abgeordneter derselben hieher kommen, um mit ihm 
die Lage der Dinge zu besprechen und einen Boden dafür zu gewinnen, wie 
dann die Verhandlungen weiter zu pflegen seien. Meine Herren! Dieser 
Einladung hat man bereitwilligst entsprochen und der Präsident des Bundes- 
kanzleramtes, Staatsminister Delbrück, hat sich hieher begeben. Die Be- 
srrecbungen, welche wir mit ihm in München hatten, wurden unter dem 
Eindrucke gepflogen, den man in Süddeutschland, namentlich (zur rechten 
Seite gewendet) auf Ihrer Seite, meine Herren, bezüglich des norddeutschen 
Bundes hatte; sie wurden gepflogen unter der Befürchtung, daß die der- 
malige Gestaltung des norddeutschen Bundes vielleicht zuviel unifizirende und 
zu wenig föderative Elemente enthielte. Wir glaubten in dieser Bundes- 
rerfassung, so wie sie lag, sei der berechtigte Partikularismus, von dem man 
beute noch nicht viel sprechen darf, der aber, wie ich überzeugt bin, sehr bald 
zu größerer Ehre kommen wird, nicht hinreichend gewährleistet. Die Ver- 
bandlungen wurden gepflegen unter dem Eindrucke der aus dem Haupt- 
quartiere kommenden außerordentlich freundlichen Mittheilungen, die wir 
vielleicht zu unferen Gunsten etwas zu weit ausgelegt hatten; sie wurden ge- 
pflegen unter der Voraussetzung, daß, wenn man ganz Deutschland in einen 
Bund vereinigen könne, es wohl zu erreichen sei, daß der Norddeutsche Bund 
in wesentlichen Beziehungen umgestaltet werden könnte; sie wurden gepflogen 
enllich unter dem Gedanken, daß es vorerst unsere Aufgabe sei, die Lage 
kennen zu lernen, und daß es in diesem Stadium natürlich nicht gerathen 
sei, seinen allerletzten Gedanken sogleich auszusprechen. Die Propositionen, 
die wir damals gemacht haben, meine Herren, stehen hinter dem Vertrage, 
der nunmehr zu Ihrer Genehmigung vorliegt, weit zurück. An den Be- 
srrihungen mit dem Herrn Staatsminister Delbrück hat Würtemberg 
Antheil genommen und hat vielfach unsern Standpunkt getheilt. Auch 
Würtemberg hat einen weniger weit gehenden Standpunkt hier eingenommen, 
al in den späteren Verhandlungen zu Versailles. Unser Grundgedanke war 
der, cs solle und müsse ein lebensfähiger Bund geschlossen werden, ein Bund, 
der mehr Thätigkeit und Wirksamkeit zu entfalten im Stande wäre, als 
dieses bei dem alten deutschen Bunde der Fall war; daß diesem Bunde so- 
mit alles Nöthige abgetreten werden müsse, Alles aber, was nicht absolut 
in Herstellung der Einigkeit erforderlich sei, den einzelnen Staaten belassen 
werden könne. Ich mache kein Hehl daraus, meine Herren, ich habe damals 
geglaubt, man dürfte die Competenz des Bundes in Bezug auf die Justiz- 
hesetgebung bei Weitem nicht in dem Maße anerkennen, wie es später in
	        
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