126 Historische Einleitung.
und Reich bedingten Verfassungs = Aenderungen festgestellt hatte, war es
auf der andern Seite nothwendig, auch die gleiche Genehmigung seitens der
Landesvertretungen der vier süddeutschen Staaten herbeizuführen, und waren
denselben von ihren Regierungen die betreffenden Vorlagen gemacht worden.
In Hessen, Baden und Württemberg erfolgte die Genehmigung noch recht-
zeitig d. h. ror dem 1. Januar 1871, auf welchen Tag der Geltungstermin
der Verfassung gestellt war. In Hessen war nämlich die Genehmigung
von der Abgeordnetenkammer am 20. Dezember mit 40 gegen 3 Stimmen,
von der ersten Kammer am 29. einstimmig, in Baden ven der zweiten
Kammer am 16. mit allen gegen eine Stimme, am 19. von der ersten
Kammer mit allen gegen zwei Stimmen, in Würtemberg am 23. von
den Abgeordneten mit 74 gegen 14, (resp. 76 gegen 12, und 81 gegen 7)
Stimmen, am 29. von der ersten Kammer einstimmig ausgesprochen
worden. In Baiern sprach zwar die Kammer der Reichsräthe ihre Zu-
stimmung noch am 30. Dezember 1870 mit allen gegen drei Stimmen aus,
die Kammer der Abgeordneten jedoch gelangte erst am 21. Januar 1871
nach zehntägigen Debatten zu einem Beschlusse, indem sie nun end-
lich, auch ihrerseits mit 102 gegen 48 Stimmen (6 Stimmen Mehr-
heit mehr als zu dem Verfassungsbeschlusse der bayerischen Verfassung
gemäß nöthig waren) die Zustimmung ertheilte. Die dießbezüglichen
Kammewerhandlungen in den süddeutschen Staaten s. unten. Durch unver-
ändert erfolgte Annahme des Abschnitts VI des bayerischen Vertrages in den
baicrischen Kammern ist übrigens auch für Baiern der 1. Jannar 1871 als
Anfangstermin der Geltung der Reichsverfassung außer Zweifel gestellt
worden’).
Zum ersten deutschen Reichstage wurden sodann durch kaiserliche
Verordnung d. 1l. Hauptquartier Versailles, 23. Januar 1871“7) die Wahlen
im ganzen Reiche auf den 3. März 1871 ausgeschrieben, und zugleich der
Reichstag selbst auf den 9. d. Mts. einberufen, dieser Termin jedoch durch
Verordnung vom 26. Febmar 1871“““) auf den 21. des gleichen Monats-
hinausgerückt.
Bisher hatte die Verfassungsurkunde des deutschen Reiches eine einheit-
liche Redaction officiell noch nicht erhalten, auch waren die neuen Bezeich-
nungen „Deutsches Reich" und „Deutscher Kaiser“ nur an zwei Stellen der
Verfassung aufgenommen worden. Die neue Gesammtredaction war daher
bereits in der letzten (12.) Sitzung des Norddeutschen Reichstages vom 10. De-
zember 1870 angekündigt worden. Der Entwurf der neurevidirten Verfassung
wurde sodann auch dem ersten deutschen Reichstage noch am Einbernfungs-=
*) Rönne in Hirth's Annalen. Band IV. (1871) S. 41 Anm. 3 ff.
*#) B.-G.-Bl. 1871 S.7.
½%% B., G.-Bl. 1871 S. 47.