130 Erbffnungs · Sitzung 1870.
einer Volksvertretung und durch diese zur Aussprache über die Gegenwart
und die Zukunft des Landes in den Stand zu setzen. Aber die Aktenstücke,
welche Ihnen, meine Herren, von dem Präsidium des Bundes vorgelegt
werden sollen, werden Ihnen den Beweis liefern, daß die jetzigen Machthaber
in Frankreich es vorziehen, die Kräfte einer edlen Nation einem aussichts-
losen Kampfe zu opfern.
Die unverhältnißmäßige Erschöpfung und Zerrüttung, welche für Frank-
reich die Folgen der Fortsetzung dieses Kampfes unter den gegenwärtigen
Umständen sind, müssen zwar die Kraft des Landes in dem Maße schwächen,
daß dasselbe zu seiner Erholnng längerer Zeit bedürfen wird, als bei einem
regelmäßigen Verlaufe des Krieges der Fall gewesen wäre. Die verbündeten
Regierungen haben aber mit Bedauem der Ueberzeugung Ausdruck zu geben,
daß der Friede zwischen den beiden großen Nachbarvölkern, auf dessen unge-
trübte Dauer sie noch vor weniger als einem halben Jahre zählten, durch
die Erinnerungen, welche die Eindrücke dieses Krieges in Frankreich hinter-
lassen werden, nur um so sicherer gefährdet sein wird von dem Angerblicke
an, wo Frankreich durch die Erneuerung der eigenen Kraft oder durch Bünd-
nisse mit anderen Mächten sich stark genug fühlen wird, den Kampf wieder
aufzunehmen.
Die Bedingungen, unter welchen die verbündeten Regicrungen zum
Frieden bereit sein würden, sind in der Oeffentlichkeit besprochen worden. Sie
müssen zu der Gräöße der Opfer, welche dieser ohne jeglichen Grund, aber
mit der Zustimmung der gesammten französischen Nation unternommene
Krieg unserem Vaterlande auferlegt hat, im Verhältniß stehen; sie müssen
vor allen Dingen gegen die Fortsetzung der von allen Machthabern Frauk-
reichs seit Jahrhunderten geübten Eroberungspolitik eine vertheidigungsfähige
Grenze Deutschlands dadurch herstellen, daß sie die Ergebnisse der unglückli-
chen RKriege, welche Deutschland in der Zeit seiner Zerrissenheit nach Frank-
reichs Willen führen mußte, wenigstens theilweise rückgängig machen und
unserek süddeutschen Brüder von dem Drucke der drohenden Stellung befreien,
welche Frankreich seinen früheren Eroberungen verdankt. Die verbündeten
Regierungen haben das Vertrauen zu dem Norddeutschen Reichstage, daß der-
selbe ihnen die Mittel, welche zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sind,
nicht versagen werde. Sie sind gewiß, jetzt, wo es gilt, die erlangten Erfolge
zu sichern, bei Ihnen der nämlichen patriotischen Hingebung zu begegnen,
welche sie fanden, als es darauf ankam, die heute gewonnenen Erfolge zu er-
reichen. Es ist ihr lebhafter Wunsch, daß es möglich werde, jene Mittel
nicht in vollem Umfange zu verwenden.
Um Ihnen einen vollständigen Ueberblick der politischen Lage zu ge-
währen, werden Ihnen die Mittheilungen vorgelegt werden, welche dem Aus-
wärtigen Amte bezüglich des Pariser Friedensvertrages vom 30. März 1856
neuerdings zugegangen sind und an welche die verbündeten Regierungen
den Anödruck ihrer Hoffnung knüpfen, daß die Wohlthaten des Friedens