Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

136 1870. Verträge. 
halten hat. Dieser Zusatz läßt sich unzweifelhaft charakterisiren als eine Ver- 
stärkung des föderativen Elements in der Bundesrerfassung. Sein wirklicher 
Charakter liegt aber in envas Anderem. Je mächtiger der Bund wird, je 
weiter er sich ausdehnt, um so mehr ist es von Interesse, auch dem Auslande 
gegenüber in der Bundesverfassung selbst zum Ausdruck zu bringen, was der 
Bund ist, nämlich ein wesentlich defensives Staatswesen. (Hört! Hört!) 
Dieser Gedanke konnte in keiner zutreffenderen Weise zum Ausdruck gebracht 
werden, als durch den Zusatz, den Sie hier in dem Artikel 11 aufgenommen 
finden. Einige die Finanzen betreffeude Aenderungen der Bundesverfassung 
waren nicht zu vermeiden. Sie betreffen die inneren Steuern von Bier und 
Branntwein. Theils ganz besondere staatsrechtliche Verhältnisse, wie sie z. B. 
in Baiern in Betreff der Malzstener in ihrem Zusammenhange mit der 
Staatsschuld obwalten, theils abweichende Betriebsverhältnisse, wie sie in 
Süddeutschland, gegenüber Norddeutschland bestehen, ließen es jedenfalls zur 
Zeit nicht zu, die Besteuerung des Biers und Branntweins, wie sie jetzt im 
Bunde gesetzlich besteht, auf Süddentschland auszudehnen. Es kam dazu, 
daß, wie den Herren Allen bekannt ist, bei uns selbst erhebliche Zweifel über 
die Richtigkeit der Grundlage für die Brauntweinsteuer und, wie ich glaube, 
eine ziemlich allgemeine Uebereinstimmung darüber obwaltet, daß die Bier- 
steuer, so wie sie besteht, nicht lange mehr fortdauern kann, und daß in einem 
Augenblicke, wo man bekauntlich sich mit eingehenden Ermittelungen darüber 
beschäftigt, ob an Stelle der Maischraumsteuer eine Fabrikatstener gesetzt 
werden soll, sei es so, oder so; wo man sich ferner mit der Frage beschäftigt, 
ob die Bierbesteuerung, wie sie in dem größten Theile des Norddeutschen 
Bundes besteht, einer Abänderung zu unterziehen sei, — in solchem Augen- 
blick konnte man nicht füglich den süddentschen Staaten zumuthen, diese 
beiden Steuerreformen anzunehmen. Die nothwendige Kensequenz dieses Zu- 
geständnisses war, daß in Beziehung auf diese Steuern dafür Vorsorge getroffen 
werden mußte, wie ihre Behandlung sowohl im Bundesrathe, als im Reichs- 
tage stattzufinden hat. Man konnte nicht wohl daron ausgehen, daß die 
süddentschen Regierungen im Bundesrathe über Steuern mitzubeschließen 
hätten, die auf sie keine Anwendung finden; und ebenso wenig, daß die süd- 
deutschen Abgeordneten im Reichstage die entscheidende Stimme bei solchen 
Steuerfragen mit abgeben dürfen. Es hat diese Erwägung geführt zu 
den beiden Ausnahmebestimmungen, die sowohl im Kapitel vom Bundcsrathe 
als im Kapitel vom Reichstage hinsichtlich derjenigen Angelegenheiten sich 
finden, die nicht dem ganzen Bumde gemeinschaftlich sind. Sodann wurde 
von Baiem sowohl, als von Würtemberg ein entscheidender Werth auf die 
Beibehaltung der eigenen Verwaltung der Posten und Telegraphen gelegt. 
Es beruhte der Werth, den man der Erhaltung dieser dieser beiden Institu- 
tionen in der Selbstrenwaltung beilegte, auf verschiedenen Motiven. Das 
finanzielle Motiv, wie ich gleich bemerke, war nicht das wesentlich eutschei- 
dende. Man wünschte theils dem Verkehr lieb gewordene Einrichtungen zu
	        
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