140 1870. Verträge.
nicht etwa blos den Beitritt von süddeutschen Staaten zu unserem Nord-
deutschen Bunde, sondern eine ganz neue Verfassung von Deutschland zu
sanctioniren, mindestens wesentliche Veränderungen der bestehenden Verfassung,
die, wie ich weiter ausführen werde, wirklich fundamentaler Natur sind. Ja-
meine Herren, die Voraussetzung einer solchen Aufgabe möchte wohl der Ma-
jorität bei der Mandatsverlängerung — das wage ich zu behaupten — sehr
fern gelegen haben. Das aber behaupte ich bestimmt, daß, wenn es sich
darum handelt, das Fundament unseres öffentlichen Rechtslebens für lange
Zeit hinaus festzustellen, über die Konstituirung Deutschlands zu beschließen
für die Dauer, daß es da unbedingt geboten erscheint, ein Votum des Volkes ein-
zuholen in der einzigen Form, in der dies gegeben werden kann, indem man
mit neuen Wahlen an das Volk heran tritt. — Denken Sie darüber, wie
Sie wollen! Sie mögen die formale Kompetenz für sich haben. In jenem
Beschluß vom 21. Juli ist keine Grenze der Befugnisse bestimmt, die Sie
sich beigelegt haben, das erkennen wir Ihnen gegenüber an. Aber daß die
Sache materiell doch ein anderes Gesicht annimmt, darüber darf ich mich
sogar auf die Vorgänge der jüngsten Jahre innerhalb Preußens selbst be-
rufen. Nicht als ob es gegolten hätte, dort eine neue Verfassung zu machen,
von der nicht die Rede war; als aber neue politische Kombinationen an uns
in Preußen herantraten, in Folge der Kämpfe von 1866, da hat die preußi-
sche Regierung es für geboten crachtet, dem Volke —, wie sie dies ausdrücklich
betonte, — durch Neuwahlen es zu ermöglichen, seine Position durch die zu
erwählenden Deputirten jenen Kombinationen gegenüber einzunehmen. Wie
viel mehr in diesem Falle der Beschlußnahme über eine Verfassung! Mit
welchem Makel ihrer Entstehung ist dieselbe behaftet, wenn dabei das Grund-
und Hauptrecht des Volkes übergangen ist, durch welches es allein im Stand
ist, seine Mitwirkung bei Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten zu be-
thätigen, während zugleich das ganze Fundament unserer eigenen Stellung
in Frage gestellt wird. Deßhalb müssen Sie uns schon gestatten, durch
diesen Antrag noch einmal die Kompetenzfrage vor Ihre Entscheidung zu
bringen. Wir werden dieselbe Stellung einnehmen, die wir eingenommen
haben bei Ihrem Votum vom 21. Juli; wir werden, so schwer es uns wird,
uns Ihrem Votum, wenn es gegen uns fällt, nochmals fügen. Denn wir
bedenken wohl, daß die große Verantwortlichkeit dieses Entschlusses überwogen
wird von der größeren Verantwortlichkeit, der wir uns aussetzen würden,
wenn wir uns weigerten, weiter mit Ihnen fortzuarbeiten. Denn wir müßten
uns dann sagen, daß wir durch unsere weitere Mitwirkung manche schwere
Schädigung hätten verhüten können und manches Heilsame durch unsere Mit-
wirkung erreichen, was, wenn wir uns zurückziehen, leicht bei dem Stimm-
verhältnisse in diesem Hause anders gekommen wäre. Wir werden also auch
in diesem Falle — das bin ich ermächtigt im Namen meiner Freunde zu
erklären — mit Ihnen fortarbeiten, so sehr wir auch von der schweren Verant-
wortlichkeit des ganzen Hauses in diesem Falle, wenn dem Hauptrecht des