Generaldebatte. Windthorst. 157
über die Methode der Behandlung hervorhebe, so tritt ferner an mich die
Frage heran, sind wir kompetent das zu thun, was uns angemuthet worden
ist, und da, meine Herren, bedaure ich, von den Aneführungen des Herrn
Präsidenten des Bundes-Oberhandelegerichts abweichen zu müssen; wenigstens
sind meine Zweisel zur Stunde nicht gelöst. Es ist zunächst hingewiesen
auf den Artikel 79, und zwar insbesondere auf dessen zweiten Absatz. Meine
Heren, in dem Artikel 79 ist allerdings gesagt, daß auf Vorschlag des Prä-
fidiume der Eintritt der Süddeutschen in den Bund durch Bundesgesetz-
gebung beschlossen werden könne. Aber neten denn die süddeutschen Regie-
ungen, selbst Baden und Südhessen in den Nordbund ein? (Sehr richtig,
sehr gut!) Sie rereinbaren eine neue Verfassung, (Sehr wahr!) und es
wird nachher meine Aufgabe sein, über verschiedene wesentliche Unterschiede
noch zu sprechen. Auf Grund des Artikels 79 war ein Zutritt zum Nord-
bund moglich, aber nicht die Schaffung eines neuen Bundes. (Ohol rechts.)
Dann hat man gesagt, der Artikel 78 gebe dazu die Befugniß, die Ver-
fussung so zu ändern, wie sie hier rorgeschlagen sei, es seien zwei Drittel
mindestens im Bundesrath gewesen und hier würde die Majorität sich auch
egeben. Wenn der Artikel 78 so aufgefaßt werden könnte, wie der Herr
Präsident des Bundes-Oberhandelsgerichts ihn auffaßt, wie er auch hier viel-
sach aufgefaßt ist, dann wäre die Deduction vielleicht zutreffend. Meiner
Ueberzeugung nach aber ist dieser Artikel nicht se aufzufassen. Wir haben
ja karüber hier und auch anderswo zu wiederholten Malen gesprochen. Der
Ar#ikel 78 gestattet unzweifelhaft in der angegebenen Methode — (Stimme:
Immer das Altel) man kann nicht immer was Neues sagen, man muß oft
das Alte repctiren, besonders dann, wenn es noch nicht begriffen ist — (Sehr
gut! Heiterkeit.) also, meine Herren, es ist schon oft gesagt, daß unzweifel-
baft auf Grund des Artikels 78, soweit die Kompetenz deo Bundes nicht
ausgedehnt wird, die Verfassung abgeändert werden kann, und so weit es
sich nicht um Abänderungen der Komgetenz der Bundesverfassung handelt,
würde ich an sich den Ausführungen des Präsidenten deo Bundes-Oberhan=
delsgerichts beitreten. Aber hier wird gerade die Kompetenz des Bundes
ganz entschieden und schwerwiegend ausgedehnt. Sie wird zunächst und vor
allem ausgedehnt im Art. 78 selbst. Die Worte werden nicht verändert,
aber nach der historischen Entwvickelung, nachdem man den Sneit über die
Auslegung dieses Artikels gehabt hat, und nachdem man nunmehr auf Grund
dieses Artikels die Verfassung ändert, ja die Kompetenz auf Presse und Ver-
einswesen ausdehnen will, bekommt allerdings der Artikel 78 eine Interpre-
latien, wie die ist, die Viele bieher schon haben annehmen wollen, die ich
aber für unzulässig halte. Meine Herren! Die beiden Häuser des preußi-
schen Landtages haben diesen Artikel 78 so nicht aufgefaßt. Der leider zu
früh rerstorbene Twesten und der Tribunalsrath Heffter, der eine im Abge-
erdneten-- und der andere im Herrenhause, haben ausdrücklich erklärt bei den
Neferaten, auf Grund deren die Annahme der Bundesverfassung in den