Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

158 1870. Verträge. 
beiden Hänfern des Landtages erfolgt ist, daß in jedem Fall, wenn eine Kom- 
petenzerweiterung stattfinden, wenn also die Machtbefugnisse der beiden Hän- 
ser des preußischen Landtages ferner noch beschräult werden sollten, wiederum 
ihre Zustimmung erforderlich sei, und ich für meinen Theil bin auch nicht 
einen Augenblick zweifelbaft, daß die Gründung dieser Verfassung mit dieser 
Kompetenzerweiterung nicht stattfinden kann, ohne daß sic den beiden Häu- 
serm des prceußischen Landtages vorgelegt werde. (Sehr wahr! Widerspruch.) 
Es mag das Diesem oder Jenem nicht passen, es mag sein, daß namentlich 
der Gedanke, dem Herrenhaus ein Wort zu gönnen, sehr offendirt — ich 
mache kein Hehl daraus, daß ich gerade diese Körperschaft hören möchte. 
(Heiterkei.) Meine Herren! Das in Bezug auf die Kompetenz des Reichs- 
tages aus dem Artikel 718. — Nun aber will ich einmal annehmen, der 
Reichstag wäre an sich kompetent: — sind wir es denn? Meine Herren, 
wir sind gewiß eine hochansehnliche Versammlung, aber nach meiner Ansicht 
sind wir nicht der zu Recht bestehende Reichstag. (Sehr wahr!) Die Le- 
gislaturperiode war auf drei Jahre festgesetzt, unser Mandat war abgelaufen, 
und da haben wir in einer angeblichen Nothlage das Kunststück gemacht, 
uns beim eigenen Schopfe aus dem Sumpfe zu ziehen und haben gesagt, 
wir wollen unser Mandat verlängern. Ich habe derzeit dagegen gestimmt, 
weil ich glaubte, das im Beschlusse Beabsichtigte wäre nicht wohl thumlich, 
ich habe diesen Beschluß für einen Rechtebruch gehalten. (Widerspruch.) 
Ich bin auch überzeugt, der alte römische Senat und auch die englischen Par- 
lamentshäuser hänen nun und nimmer so etwas gethau. (Stimme linke: 
sie baben es gethau.) Haben sie es gethau, so bin ich doch der Meinmng, 
es giebt niemals eine Lage, wo man das Recht brechen kann. Wir haben 
unser Mandat, ohne daß wir eine Befugniß dazu hätten, verlängert. Der 
Herr Präsident des Bundes-Oberbandelsgerichto hat auch nicht bebauptet — 
wenigstens habe ich es nicht so verstanden —, daß der Beschluß etwas an 
sich durchaus Unbedenkliches und Unzweifelbaftes sei. Er hat mu gesagt: er 
ist jetzt formell Rechtens. Das Gesetz ist publicirt. Wenn man. als Richter 
zu erkennen hat und die Kompetenz des Richteramtes noch so beschränkt ist, 
wie sie co heute in Norddeutschland ist, dann gebe ich zu, daß der Richter 
nicht füglich in der Lage wärc, diesed formell publizirte Gesetz zu ignoriren. 
Aber, meine Herren, es ist enras ganz Anderes, wenn es sich damm ban- 
delt, ob der eine politische Faktor selbst bandeln soll. Der hat nicht die 
Form, der hat die materielle Berechtigung in Frage zu ziehen, und da bin 
ich nach wie vor der Meinung, daß diese Verlängerung nicht zu Recht be- 
steben kam. Die Zweckmäßigkeitsgründe, die man angeführt, die namentlich 
der Herr Abgcordnete Dr. Friedenthal hervorgebeben, zum Theil auch der 
Herr Abgeordnete Schulze anerkannt hat, sind für mich bier gar nicht vor- 
banden. (s bandelt sich um das Recht, und da kann ich nicht beliebig 
rechts oder links schieben: ich muß auf dem Rechte siehen bleiben. Ich bin 
demnach der Ansicht, daß die vorliegende Verfassung rechtebeständiger
	        
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