Generaldebatte. Windthorst. 159
Weise nur auf zwei Wegen zu Stande kommen kann: entweder alle Ein-
zelstaaten genehmigen sie, oder aber dio Einzelstaaten bilden eine gemein-
same Versammlung, und mit dieser Verfammlung verabschiedet man sie.
Der Antrag, der von der Linken ausgegangen ist, verfolgt einigermaßen die-
sen Gedanken; aber ich kann ihm nicht beitreten, weil er glaubt, daß der
Norddeutsche Reichstag die Berechtigung hätte, denjenigen, welche die Ver-
fassung zu vereinbaren haben, eine Legitimation zu geben. Das würden,
soweit dies Preußen betrifft, nur die beiden Häuser des preußischen Landtags
können. Ich weiß wohl, daß man in Zeiten, wie die gegenwärtige, wo in
der hat vom Rechte weniger als von Thatsachen die Rede ist, diese meine
Deruction als etwas Unpraktisches ansehen werde. Ich aber kann nur wie-
derholen, in Verfassungsverhältnissen und bei Gründung von Verfassungen
wird es sich immer zu irgend welcher Zeit rächen, wenn man nicht streng
die Formen des Rechtes und streng die Basis des Rechtes festgehalten hat
und sich von Thatsachen fortschieben läßt. Aus dieser meiner Erörterung
winde für mich vielleicht folgen, daß ich für jetzt mich weiterer Betheiligung
an dem Werke, welches in Frage ist, zu enthalten hätte. (Stimme: Sehr
richtig!) Man würde mir vielleicht vorhalten wollen, und ich glaube, daß
eine gewisse namentliche Abstimmung, die wir gehabt haben, darauf schon
sich mitbezog, ich hätte ja die Bundesanleihe mitbewilligt. Ja, meine Her-
aen, ich sag' Ihnen offen, ich betrachte diese Versammlung ale eine factische,
As eine thatsächliche, aber ich bin so sehr gewöhnt in neuerer Zeit, mich
alle Tage auf neue Thatsachen zu stellen, daß ich mich auch auf diese stelle.
(Heiterkeit!) Ich lasse mich fortfahren auf dem Wagen, so lange es geht.
Vielleicht giebt eo einen Moment, wo die Deichsel bricht, und dann könnte
man möglicher Weise eine neue einsetzen und zum Recht zurückkehren, wenn
man bei der Hand bleibt. Im politischen Leben ist das in rechtsbeständiger
Beise Zuhausebleiben sehr bequem, aber nicht so beguem, wenn es über Stokck
und Block weiter geht, und doch kann man das nicht ändern. Also, da ich
aus den bisherigen Reden der Majorität entnehme, daß es eben über Stock
und Block weiter gehen soll, muß ich mir das gefallen lassen. Von den
Beschlüssen selbst sage ich dann: „valeunt, in quantum vulere possunt.“
Zur Sache selbst bemerke ich Folgendes: (Heiterkeit.) Meine Herren, die
brage, ob das, was wir beabsichtigen, vereinbar sei mit den Bestimmungen
des Prager Friedens — (Ahl ahl rechts.) (Hört! hörtl) es wird gerufen
„ brt hört!“ ich wiederhole deshalb: mit den Bestimmungen des Prager
Eredens — will ich hier nicht untersuchen. Ich vertraue auf den Ausspruch
des leider nicht anwesenden Herrn Bundeskanzlers, daß, wenn er in den Fall
käme, die süddeutschen Staaten, namentlich die größeren aufzunehmen, er
nil der kaiserlich österreichischen Regicrung in's Vernehmen treten werde —
(Biderspruch) (Stimmen: „Das hat er nicht gesagt!“) — biue, wir wollen
die stenographischen Berichte nachher holen — und ich zweifle nicht, daß er
auweder schon mit ihr in's Vernehmen getreten ist oder doch treten wird.
IWvrvellasse mich auf die Vertragstreue des Herrn Bundeskanzlers. Was