Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

160 1870. Verträge. 
dann die Verträge selbst betrifft, so leugne ich nicht, um bei der äußeren 
Form zu beginnen, daß das Datum von Versailles mir recht unbequem ist. 
Versailles ist die Geburtestätte des militärischen Absolutismus, wie Ludwig XIN. 
ihn in Blüthe gesetzt hat. (Unruhe.) Ich behaupte ja nicht, meine Herren, 
daß dieser hier auch schon ist, (Heiterkeit) aber ich weiß, daß auf den wer- 
denden Menschen die Geburtsstäue einen erheblichen Einfluß übt, (Erneute 
Heiterkeit) und so habe ich die Furcht, daß die Geburtostätte und die Ge- 
vattern, die Kanonen vor St. Denis u. s. w. doch einigen Eindruck auf die- 
ses Kind gemacht haben. (Sehr gut“ linko.) Dann, meine Herren, ist Ver- 
sailles außerdem der Platz der geschorenen Hecken. (Große Heiterkeit.) 
Meine Herren, ich fürchte, Viele von denen, die bei diesem Werke die 
Scheere geführt haben oder geführt zu haben glauben, könnten zu ihrer 
Ueberraschung entdecken, daß sie die Geschorenen sind. (Erneute Heiterkeit.) 
Komme ich nunmehr zu dem Inhalt, so ist mir vor Allem bedenklich die 
erweiterte Ausdehnung des Begriffs einer Verfassungsveränderung, wie sie 
jetzt für den Artikel 78 gegeben werden wird, wenn diese Verfassung zurecht 
kommt. Ist der Artikel 78 so zu verstehen, wie er, wenn die Verfassungen 
zu Stande kommen, wie sie uns vorgelegt worden, allerdings wohl wird zu 
verstehen sein, dann ist unzweifelhaft die Mediatisirung aller deutschen Staa- 
ten ausgesprochen, auch die Mediatisirung des mächtigsten Staates, Preußens, 
denn es steht bei den Bundedautoritäten, ihre Kompetenz auszudehnen unter 
den Voraussetzungen, die im § 78 jeyt gegeben sind. Diese Mediatisirung 
macht mich im allerhöchsten Grade bedenklich — zunächst was die preußische 
Monarchie betrifft. Meine Herren, so ist es allerdings nicht zu verkennen, 
daß die preußische Monarchie eine breitere Basis bei dieser Mediatisirung 
und neuer Auferstehung gewiunt oder zu gewinnen scheint. Es ist die Basis 
eines Hauses des allgemeinen Stimmrechts mit directen Wahlen. Ob aber 
diese neue Basis die Tiefe gewinnen kann, die das monarchische Prinzip 
heute unzweifelhaft hat, das ist eine Frage, welche die Zukunft entscheiden 
wird. Ich wünsche meines Theils sehr, daß dieselbe Tiefe erreicht werden 
kounte, glaube aber nicht daran. Was dann die Mediatisirung für die Kör- 
perschaften, die Preußen vertreten, bedeutet, so ist er unzweifelhaft, daß da- 
mit die Bedeutung derselben auf eine Provinzialstellung berabgedrückt ist 
(Sehr gut!) und der weseutlichste Repräsentant konservativer Entwickelung, 
die Stütze zwischen dem Anprall der Volkssouverainität gegen den Thron, 
die bestehende Verfassung des Herrenhauses, ist absolut erschüttert. (Stim- 
men links: Das ist sehr gut!) Ich weiß sehr wohl, daß es bei sehr Vielen 
gerade um diese Erschütterung sich handelt; (Heiterkeit.) aber wenn man so 
alt geworden ist, wie ich, dann liebt man die Erschütterungen nicht mehr. 
Was die übrigen Institutionen der preußischen Monarchie betrifft, so wer- 
den auch sie der Botmäßigleit und Legielatur von ganz nenen Schopfungen 
unterworfen, und wir werden sehen, welche Erfolge das hat. Darin liegen 
für mich sehr schwer wiegende Bedenken. — Wenn man sodann das Preß- 
und Vereinswesen so ohne Weiteres in die Kompetenz des Bundes legen
	        
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