162 1870. Verträge
Norddeutschen Gesandten zu vertreten, weiter entwickelt werden könnte: warum
soll, wenn nun Baiern auch verhindert ist, nicht auch Würtemberg und
Sachsen kommen? Ich weiß aus verschiedenen Aeußerungen auch in der
Presse, daß man dieses Recht, was man Baiern eingeräumt hat, ungeheuer
gefährlich halte. Ja, meine Herren, der Norddeutsche Bundeskanzler, wie
er auch heißen mag, wird, wenn er etwas Ordentliches zu thun hat, ganz
gewiß seinen Gesandten an Ort und Stelle haben, und wenn er nichts Or-
dentliches zu thun hat, so kann ihn ja vertreten wer will. (Sehr gut! Hei-
terkeit.) Außerdem scheint es etwas dunkel, was hier gemeint ist. Es heißt
nämlich da: „den Gesandten“. Ist das der ordinäre Gesandte, oder ist das
auch der eventuell beauftragte Legationsrath oder Secretär — ich bin in der
Hierarchie der Diplomatie nicht bewandert —2 Man könnte sich ja denken,
daß der Norddeutsche Bundesstaatsgesandte urplötzlich eine Reise zu machen
hätte und seinen Legationsrath mit der Führung der Geschäfte beauftragen
würde: ist der dann Bundesgesandter oder tritt dann von selbst schon Baiern
ein? Das ist eine Dunkelheit. (Heiterkeit.) Dieselbe Dunkelheit findet sich
bei dem Präsidium. Baiern ist unter Umständen das Präsidium im Bun-
desrath gegeben, wenn Preußen nänlich verhindert ist. Wann ist Preußen
verhindert? Wenn der Bundeskanzler nicht da ist? Der ist gar kein Preuße,
der ist eben Bundeskanzler! (Heiterkeit.) Vielleicht also, wenn alle 17 Ver-
treter der preußischen Stimmen verhindert sind, heißt das Preußen? —
Dann kommt — oder es müßte eine furchtbare Sterblichkeit eintreten —
(Große Heiterkeit.) Baiern niemals zum Vorsitzt Meine Herren, außerdem
würde ich glauben, daß die deutsche Bundesverfassung zunächst das haben
müßte, was uns setzt gesagt ist, daß sie es haben würde: eine monarchische
Spitze. Ich vermisse jedoch ferner in der Bundesverfassung eine kollegialisch
geordnete, klar durchsichtige, überall faßbare verantwortliche Regierung, und
es ist mir unmöglich, so wichtige Dinge, wie nunmehr der Deutsche Bund
zu erfüllen haben wird, in die Regierungsverhältnisse hinein zu geben, wie
sie jetzt bestehen. Das jetzige Großvezirat kann unmöglich fortdauern, es
muß ein ordentliches Ministerium da sein, sonst sind wir unzweifelhaft nicht
in der Lage, eine dauernde, feste, konstitutionelle Verfassung zu gründen.
(Sehr wahr! links.) Meine Herren, ich vermisse außerdem die richtige Kom-
position des Reichstags. In einem Reiche von der Bedeutung, wie Deutsch-
land es nächstens sein wird, ist es absolut nothwendig, daß man auf das
Zweikammersystem zurückkehrt. (Oh! oh! Verwunderung links.) Ja, meine
Herren, zuweilen sage ich auch Etwas, was Ihnen nicht gefällt. Ich habe
die Ueberzeugung, daß ohne ein ordentliches Oberhaus eine gedeihliche Ent-
wickelung der deutschen Verfassung nicht möglich ist. Ich sage absichtlich
„Oberhaus", damit nicht der Streit erwächst, ob es ein Staaten= oder ein
Fürstenhaus sein soll. Ich habe meine Gedanken über diese Frage, indeß
würde es bei der Generaldiskussion zu weit führen, darauf einzugehen, und
muß ich außerdem sagen, daß eine solche Bildung nur aus der Initiative