Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. Lasker. 165 
und er stellt sich als einen Mann dar, welcher jede Zweckmäßigkeit außer 
Augen lasse, sobald es sich um das Recht handle; im Nachsatze aber bekennt 
er: aus Erwägung der Zweckmäßigkeit werde er gegen das Recht, wie er sich 
ausdrückt, auf dem Wagen mitfahren, das heißt: mit verhandeln und mit- 
stimmen, obschon der Reichstag zu nichts berechtigt sei. (Sehr gut!) Aber 
Diesenigen im Hause, welche auf das Rechtsleben und die Rechtsformen einen 
außerordentlichen Werth legen, kritifiren, wenn Bedenken des Rechts auf- 
tauchen, den Redner selbst, und die mahnende Stimme fällt nur dann ins 
Gewicht, wenn derselbe unverbrüchlich und nicht verlockt durch eine Zweck- 
mäßigkeit dem Rechte seine Huldigung darbringt; daß aber die Worte wie 
der Wind verhallen, wenn eine solche Mahnung aus dem Munde eines 
Mannes kommt, der sofort hinzusetzt: er werde das Recht nicht beachten, 
sendern aus Zweckmäßigkeit gegen seine eigene Rechtsüberzeugung sich ver- 
balten. Mir, meine Herren, ist die Frage, welche wir heute verhandeln, eine 
viel zu große, viel zu bedeutende, als daß ich dem Tone meines Vorredners 
folgen sollte. (Bravo! Sehr richtig!) Er selbst hat es ja auffällig gefunden, 
daß nach der höchst wichtigen Ankündigung des Herrn Ministers Delbrück 
das Haus heiter sich benommen habe; er hat also die Heiterkeit, die er fort- 
gesetzt in seiner Rede hervorzurufen gesucht — denn der Redner thut nichts 
ohne Absicht der Wirkung und ist namentlich kein Komiker gegen seinen 
Billen — er hat also diese von ihm fortgesetzt angeregte Heiterkeit nicht 
sassend gefunden für die gegenwärtige Verhandlung. Zu seiner Beruhigung 
kam ich ihm sagen, daß die Heiterkeit, welche der Mittheilung über das 
Kaiserreich folgte, nach vielfachen Wahrnehmungen im Hause, vielleicht nur 
zmsammengehangen hat mit der Art, in welcher dieses sehr wichtige Ereigniß 
dier in das Haus eingeführt worden ist, (Sehr richtig!) und mit dem sehr 
merkwürdigen Zufall, daß gerade der Herr Abgeordnete Windthorst auf diese 
Ankündigung als Redner gefolgt ist. (Sehr richtig!) Ich, meine Herren, 
werde nicht in dem angeschlagenen Tone fortfahren, sondern werde, weil die 
Sache mir ernst und hochbedeutend ist, den Kern aussondern von der Spreu, 
und keinen Einwand, der wichtig an sich ist, unberührt lassen, weil er von 
dem Abgeordneten Windthorst gekommen ist; denn welche Zwecke der Redner 
in Beziehung auf das letzte Resultat verfolgen mag, ich weiß es nicht, und 
werde dadurch nicht bestimmt, sondern ich wäge, was er vorgebracht hat, 
nach dem inneren Werth und nicht nach der Absicht. Und mun, meine 
Heren, beginnend mit dem Haupteinwande, daß nicht diese Versammlung 
die Verfassung berathen dürfe, sei dies aus dem Standpunkt der stark be- 
tonten Inkompetenz, wie fie der Herr Abgeordnete Windthorst als Rechtsfrage 
zeltend macht, sei es aus dem rein politischen Gesichtspunkte, welchen der 
Her Abgeordnete Schulze hervorgekehrt hat, — ich muß bekennen, daß nicht 
die Regierungen, sondern im Wesentlichsten das deutsche Volk die Verant- 
wortlichkeit dafür trägt, daß wir heute mit diesen Verhandlungen befaßt sind. 
Demn nicht die Regierungen waren es, welche die Initiative ergriffen haben,
	        
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