Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

180 1870. Verträge. 
schlossenen Verträgen sich wieder los zu machen, daß sie ihres Orts an der 
freiheitlichen Entwicklung und Förderung der legislatorischen Aufgaben des 
Bundes gern Theil genommen haben. (Sehr wahrl) Da ist nun das Jahr 
1870 gekommen. Ein altes Sprichwort sagt: „Wohl dem, der Feinde bat.“ 
Das gilt nun recht eigentlich von unserem deutschen Vaterlande; der äußere 
Feind hat die deutsche Kraft ausziehen lassen, und sie Wacht halten lassen, 
nicht blos am Rhein, sondern mit vereinten Kräften siegen lassen an der 
Mosel, an der Marne, der Maas, der Loire und der Seine. Der 
äußere Feind hat es zunächst unter den Waffen geeint, der äußere 
Feind hat willkommene Gelegenheit gegeben zu beweisen, daß die deutsche 
Tapferkeit die Grundlage zu jeder Tugend ist und ohne diese es keine Ge- 
rechtigkeit und keinen Frieden in der Welt giebt. Und hat unn da etwa 
ein einzelner Staat einen besonderen Anspruch auf den gemeinschaftlich er- 
rungenen Sieg, haben wir nicht alle unser Herzblut, unsere Söhne und 
Brüder zum Kampf für deutsche Ehre und deutsches Recht hingegeben, ist 
nicht in allen Staaten dieselbe Begeisterung für die große und heilige Sache 
des Vaterlaudes, dieselbe Liebe zu dem gemeinschaftlichen Bande, dieselbe 
Treue für die Ueberlieferung der deutschen Geschichte, dieselbe Opfer- 
willigkeit, die bis zum letzten großen Zielc gicht und heilt und verbindet, 
vorhanden gewesen? Und kann unn ein einzelner Staat etwa heraustreten 
und sagen: ich habe größere Verdieuste um diese Erfolge, ich bin in der 
Lage, mehr beanspruchen zu dürfen, als die anderen Staaten, ich hätte ja 
mit dem äußeren Feind gehen, ich hätte Deutschland verrathen können, ich 
habe das nicht gethan, lohnt mich jetzt!? (Hört, hört!) Meine Herren, was 
wir solchen Prätensionen gegenüber zu erwidern hätten, das wissen wir. 
Sehen wir uns mun die vorliegenden Verträge an. Da habe ich zunächst 
mit aufrichtigem Danke anzuerkennen, daß nach dem Inhalte dieser Vorlagen, 
und mit diesen allein habe ich jetzt zu thun, Preußen für seine ruhmgekrönte 
Führerschaft und für die vortrefflich auf Deutschland übertragene Heeres-Or- 
ganisation für sich keinen besonderen Preis stipulirt hat. (Hört, hört!) 
Preußen macht mit Ausnahme des votum deisivum, welches künftighin 
das Präsidium bei Meinungsverschiedenheiten im Bmmdesrathe auch in Be- 
treff des in Artikel 35 behandelten Abgabewesens haben soll, in diesen Vor- 
lagen nur Konzessionen, (Sehr richtig!) um zu beweisen, daß ihm die Eini- 
zung Deutschlands am Herzen liegt, daß es den alten Hader befeitigen will, 
daß die schroff gegenüberstehenden Parteien ausgesöhnt werden sollen, daß 
der Vorwurf der Mediatisirung der Kleinstaaten — so fasse ich wenigstens 
im Unterschiede zu einem Vorredner die Sache auf — Preußen gegenüber 
von jetzt ab ein ungerechtfertigter ist. (Sehr richtig.) Preußen konzedirt, 
wie wir im Laufe der heutigen Debatte schon vielfach gehört haben, daß 
auch künftighin dasselbe Stimmrerhältniß im Bundesrathe bleibt, Preußen 
konzedirt die Niedersetzung eines Ausschusses im Bundcsrathe für auwärtige 
Angelegenheiten, bei welchen es nicht mit vertreten ist, Preußen überträgt 
dem Bundesrathe in der Hauptsache die Beschlußfassung über Erklärung
	        
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