182 1870. Verträge.
vermag ich doch nicht abzusehen, warum man die hechwichtigen Gesetze über
Einquartierung Würtemberg allein erlassen will; es giebt noch mehr Staaten
welche diese Gesetze auch nicht geschenkt baben wollen. Noch viel schlimmer
steht es nun aber mit Baiern. In Baiern sind in der That sehr erorbitante
Sonderwünsche geltend gemacht worden, die baicrischen Staatsmänner haben
einen Partikularismus getrieben, (Hört bört!) der weit über die Grenzen
meines Partikularismus, weit über den berechtigten Partikularismus hinaus-
Jebt. (Bravo! Sehr richtig!) Baiern bleibt in der Hauptsache selbstständig
im Eisenbahn-, Post-, Telegraphen= und Militärwesen; Baiern stixulirt sich
verschiedene Vorzugsrechte in der Vertretung des Präsidiums: Baiern macht
sich los von der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Bundes in Hei-
maths= und Niederlassungs= und Verehelichungssachen, aber ich will ülle
diese Vorrechte nicht wiederholen, sie sind beute schon öfters aufgezählt wor-
den. Nun, daß mit solchen, einem einzigen Staate allein zugestandenen
Stipulationen das deutsche Volk nicht einverstanden ist, darüber bin ich nicht
im Zweifel; (Sehr richtig!) zweifelhaft bleibt mir nur, ob die baierischen
Staatsmänner jemals den schönen Rückert'schen Vers gelesen haben, der
so heißt:
Des Maßes Werth, des Maßes Schwert
Ist gut in allen Landen,
Nur wer das Uebermaß begehrt,
Der macht sich selbst zu Schanden. (Sehr gut! hört!)
Fragen wir uns nun, was ist bei solcher Sachlage, die das volle Ge-
fühl der Zufriedenheit nicht aufkommen läßt, zu thun?, so muß ich doch
sagen, daß notz alledem und alledem — und wenn wir nicht noch vom
Bundesrathe die Zusicherung hören, daß überhaupt Amendements möglich
sind und daß die theilweise Ablehnung des einen oder des anderen Vertrages
nicht das ganze Verfassungswerk in Frage stellt, — nichts weiter übrig bleibt,
als sich für die unbedingte Annahme der ganzen Vorlage zu erklären. Ich
wenigstens mag nicht in der jetzigen hochwichtigen und hochheiligen Zeit mit
Kompetenzbedenken vorrücken, ich mag nicht, daß, wenn die siegreiche deutsche
Armee aus Frankreich zurückkehr, ihr die von uns aufzubauende Brücke über
den Main fehlt. Schließen wir das große Werk ab, in welchem die
Tapferkeit des Kriegers sich mit der Ehre des Bürgers einen soll. Ich denke,
wir haben dabei mindestens den Gewinn, daß wir aus einer Vereinigung
herauskommen, die schon darum unnatürlich ist, weil sie einen Großstaat
von 25 Millionen mit einer Menge Kleinstaaten von nur 5 Millionen allein
verbindet, daß wir von einer Verfassung loskommen, unter welcher es mit
einem gewissen Scheine der Berechtigung möglich war, auch in diesem Hohen
Hause die Behauptung zu hören, daß die Absorption der Kleinstaaten nur
noch eine Frage der Zeit, daß der Einheitsstaat eine Nothwendigkeit sei.
Die Erklärung, die ich heute zu meiner größten Genugthuung gehört habe,
sowohl ron dem Bundeskanzlertisch, als von dem Redner einer großen Partei,