Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

182 1870. Verträge. 
vermag ich doch nicht abzusehen, warum man die hechwichtigen Gesetze über 
Einquartierung Würtemberg allein erlassen will; es giebt noch mehr Staaten 
welche diese Gesetze auch nicht geschenkt baben wollen. Noch viel schlimmer 
steht es nun aber mit Baiern. In Baiern sind in der That sehr erorbitante 
Sonderwünsche geltend gemacht worden, die baicrischen Staatsmänner haben 
einen Partikularismus getrieben, (Hört bört!) der weit über die Grenzen 
meines Partikularismus, weit über den berechtigten Partikularismus hinaus- 
Jebt. (Bravo! Sehr richtig!) Baiern bleibt in der Hauptsache selbstständig 
im Eisenbahn-, Post-, Telegraphen= und Militärwesen; Baiern stixulirt sich 
verschiedene Vorzugsrechte in der Vertretung des Präsidiums: Baiern macht 
sich los von der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Bundes in Hei- 
maths= und Niederlassungs= und Verehelichungssachen, aber ich will ülle 
diese Vorrechte nicht wiederholen, sie sind beute schon öfters aufgezählt wor- 
den. Nun, daß mit solchen, einem einzigen Staate allein zugestandenen 
Stipulationen das deutsche Volk nicht einverstanden ist, darüber bin ich nicht 
im Zweifel; (Sehr richtig!) zweifelhaft bleibt mir nur, ob die baierischen 
Staatsmänner jemals den schönen Rückert'schen Vers gelesen haben, der 
so heißt: 
Des Maßes Werth, des Maßes Schwert 
Ist gut in allen Landen, 
Nur wer das Uebermaß begehrt, 
Der macht sich selbst zu Schanden. (Sehr gut! hört!) 
Fragen wir uns nun, was ist bei solcher Sachlage, die das volle Ge- 
fühl der Zufriedenheit nicht aufkommen läßt, zu thun?, so muß ich doch 
sagen, daß notz alledem und alledem — und wenn wir nicht noch vom 
Bundesrathe die Zusicherung hören, daß überhaupt Amendements möglich 
sind und daß die theilweise Ablehnung des einen oder des anderen Vertrages 
nicht das ganze Verfassungswerk in Frage stellt, — nichts weiter übrig bleibt, 
als sich für die unbedingte Annahme der ganzen Vorlage zu erklären. Ich 
wenigstens mag nicht in der jetzigen hochwichtigen und hochheiligen Zeit mit 
Kompetenzbedenken vorrücken, ich mag nicht, daß, wenn die siegreiche deutsche 
Armee aus Frankreich zurückkehr, ihr die von uns aufzubauende Brücke über 
den Main fehlt. Schließen wir das große Werk ab, in welchem die 
Tapferkeit des Kriegers sich mit der Ehre des Bürgers einen soll. Ich denke, 
wir haben dabei mindestens den Gewinn, daß wir aus einer Vereinigung 
herauskommen, die schon darum unnatürlich ist, weil sie einen Großstaat 
von 25 Millionen mit einer Menge Kleinstaaten von nur 5 Millionen allein 
verbindet, daß wir von einer Verfassung loskommen, unter welcher es mit 
einem gewissen Scheine der Berechtigung möglich war, auch in diesem Hohen 
Hause die Behauptung zu hören, daß die Absorption der Kleinstaaten nur 
noch eine Frage der Zeit, daß der Einheitsstaat eine Nothwendigkeit sei. 
Die Erklärung, die ich heute zu meiner größten Genugthuung gehört habe, 
sowohl ron dem Bundeskanzlertisch, als von dem Redner einer großen Partei,
	        
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