184 1870. Verträge.
daß man sich beeilt. Was ich nun bei dieser Gelegenheit aussprechen mächte,
ist das Verlangen, daß die Vertretung deutscher Wähler einen eben solchen
Eifer entwickeln möchte, um auch anderen Nationen die Vereinigung des
Geschiedenen zu ermöglichen. Es giebt im Norden des deutschnationalen
Bundes eine Nationalität, welche den Tag der Wiederrcreinigung mit dem
Körper, dem sie seit Jahrhunderten angehört, herbeiruft. Dies ist die däni-
sche Nationalität in Nordschleswig. Ihre Bestrebungen gründen sich nicht
blos auf das Recht des nationalen Gedankens, des nationalen Bedürfnisses,
der nationalen Tradition, sondern auch auf das Recht der Verträge. Ist
der dänische Volksstamm durch die Gewalt von Ereignissen getrennt worden,
zieht sich über seinen Körper die scheidende Linie des Flusses Königsau, so
ist doch seine Hoffnung auf Wiederherstellung der Einheit keine bloße
Phrase, sondern die Erfüllung derselben ist ihm vertragsmäßig verbürgt.
Die Deutschen machen ihren Bund vermöge eines freien Willensaktes. Ich
bitte Sie, sich gleichzeitig zu erinnern, daß dieselbe Unabhängigkeit der Selbst-
bestimmung meinen dänischen Wählern vermittelst eines Traktates, der für
den Reichstag und die deutschen Regierungen ein verpflichtender ist, zuge-
sichert worden. Glanben Sie mir, Sie werden für die Interessen Deutsch-
lands am besten sorgen, indem Sie sich einen befriedigten und versöhnten
Nachbar geben; keinenfalls dürfen Sie es für gleichgültig halten, nach wel-
cher Seite sich die Sympathien des dänischen Volkes neigen. Die Verhält-
nisse in Europa, weit entfernt, den Frieden in ihrem Schooße zu tragen,
gehen vielmehr einer wachsenden Verwickelung und einer steigenden Gluth
des Kampfes entgegen. Ich spreche daher nicht bloß für den Vortheil der
dänischen Nationalität, indem ich Sie ersuche, Ihrer gegenwärtigen Vertrags-
und Verfassungsarbeit die Weihe zu ertheilen durch einen Akt der vertrags-
mäßigen. Gerechtigkeit und durch die Anerkennung des Selbstbestimmungs-
rechtes von Nordschleswig. Sie beschäftigen sich heute mit neuen Verträgen;
ich bitte Sic, thun Sie Alles, was in Ihrer Macht steht, um die alten
Verträge zu erfüllen.
Bebel (Glauchau-Waldenburg #.)“): Meine Herren, wenn ich von
meinem socialrepublikanischen Standpunkte aus die uns vorgelegte Verfassung
beurtheilen sollte, so würde ich mit meinem Urtheil sehr schnell zu Ende
kommen; sie ist von diesem Standpunkte selbstverständlich unannehmbar, und
ich hätte keine Ursache, das weiter zu motiviren. Indessen, ich halte es für
zweckmäßig und angemessen, mich für einige Augenblicke auf den Stand-
punkt eines guten Konstitutienellen, eines Monarchisch-Konstitutionellen, zu
stellen und von diesem Standpunkte aus zu betrachten, inwieweit diese Ver-
fassung Garantien für die Freiheit und Einheit und für die Entwicklung
des Selbstbestimmungrechts des deutschen Volkes bietet, soweit dies in einem
monarchischen Staat zu entwickeln und begründen überhaupt möglich ist.
*) St. B. S. 689 r. u.