Generaldebatte Bebel. 187
worden zu sein. Ich babe in den letzten Monaten vielfach Gelegenheit ge-
babt, mit Männern zu sprechen, die nichts weniger als meinen Anschauungen
buldigen, die im Gegentheil mich in meiner Haltung und meinem Auftreten
auf das Entschiedenste bekämpften. Diese hielten jedesmal, wenn ich ibnen
mit meinen Ausführungen kam, mir entgegen: es wird doch nicht so schlimm
werden, wie ich es mir denke, und gewiß werden wir die Konzession erlangen,
daß künftig in dem neuen Deutschen Reichstage vor Allem die große Mili-
lärlast eine bedentende Erleichterung erfährt. Träumer, meine Herren, und
Thoren waren es, die das geglaubt baben! Die nenen Verträge, die uns
rorgelegt worden sind, beweisen sonnenklar, daß man in den leitenden Krei-
sen nichts weniger als gewillt ist, eine Konzession zu machen; die 3jährige
Dienstzeit ist festgehalten, das Postulat von 225 Thlr. pro Kopf eines jeden
Soldaten ist festgehalten, und die Bestimmung, wonach nach dem 31. December
1870 der gegenwärtige Militäretat in ungeschwächter Stärke und Macht auf-
ucht erhalten bleibt, wenn nicht eine Einigung mit dem Reichstage erzielt
wird, bleibt ebenfalls bestehen, und damit ist selbstverständlich den verbümde-
ten Regierungen die Macht in die Hand gegeben, in alle Ewigkeit mit dem
gegenwärtigen Militäretat zu wirthschaften, und dabei sich noch auf den kon-
stiutienellen Standpunkt stellen und sagen zu können: was wollt ihr denn?
die Verfassung giebt uns das Recht dazu, wir sind es, die verfassungsmäßig
rtegieren, und ihr wollt die Verfassung, die ihr selbst gemacht habt, jetzt
über den Haufen werfen. Diejenigen aber, welche glauben, daß jetzt, wo
der sogenannte Erz= und Erbfeind Deutschlande niedergeworfen ist, und wo
er nach der Versicherung des Leiborgans des Herrn von Biemarck, der
Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, auf 50 Jahre hinaus für Deutschland
unschädlich gemacht worden ist, die weitere Folge die sein wird, daß das
Volk nunmehr eine Erleichterung in Bezug auf die Mililärmacht und Dienst-
zeit erhalten werde, täuschen sich sehr. Also in frceiheitlicher Beziehung bietet
diese Verfassung nicht nur Nichts gegen früher, sondern im Gegentheil sie
schadigt die Interessen des deutschen Volkes im höchsten Grade. Und wie
sieht es denn mit der sogenannten Einheit aus? Das unterliegt keinem
Zweifel, daß man ohne Ausnahme in diesem Hause sich die deutsche Einheit
etwas anders vorgestellt hat, als sie uns jetzt vorgelegt wird. Ich will da-
mit keineswegs sagen, daß Sie sich etwa idealen Hoffnungen hingegeben
baben, das erwarte ich nicht von Ihnen; aber, meine Herren, so wie es ge-
kemmen ist, haben Sie es doch nicht erwartet. Mag man über die Nord-
deutsche Bundesverfassung denken, wie man will — und daß ich nicht gut
über sie denke, wissen Sie alle — die Norddeutsche Bundesverfassung ist ein
Ding, das aus e nem Guß besteht, es ist diesenige Verfassung, die den Ein-
beitsbestrebungen, die auf eine Centralisation Deutschlands unter preußischer
Oberherrschaft drängen, vollständig Rechnung trägt. Sie haben sich ja seit
rier Jahren in der Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes alle Mühe ge-
geben, dieser streng centralistischen Tendenz der Norddeutschen Bundesver-